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Full text of "Die landständische Verfassung im Kurstaate Trier, vornehmlich im XVI. Jahrhundert"

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Die  landständische  Verfassung  im  Kurstaate  Trier, 
|         vornehmlich  im  XVI.  Jahrhundert. 

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Inaugural -Dissertation 

zur 

Erlangung  der  Doktorwürde 

genehmigt  von  der 

philosophischen  Fakultät 

der 

Rheinischen  Friedrich=Wilh elms=Universität 
zu  Bonn. 

Von 

Gustav  Knetsch 

aus  Ratingen  bei  Düsseldorf. 
Promoviert  am  15.  Oktober  1909. 


&  R  A 


Berlin  1909 
Druck  von  Emil    E  b 

Mitteistrasse  29. 


ing 


MAY  2  5  1911 


ry  of  TO 


Berichterstatter: 

Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  v.  BezoSd. 


Mit  Genehmigung  der  Fakultät  kommt  hier  nur  ein 
Teil  der  eingereichten  Arbeit  zum  Abdruck.  Die  ganze 
Abhandlimg  wird  unter  dem  Titel  „Die  landständische  Ver- 
fassung und  r e i ch sritterschaftli ch e  Bewegung  im  Kurstaate 
Trier,  vornehmlich  im  XVI.  Jahrhundert"  in  den  „Histo- 
rischen Studien",  im  Verlag  von  Emil  Ebering  in  Berlin, 
erscheinen. 


■ 


Meinen  Eltern, 


Meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Geheimrat 
von  Bezold,  möchte  ich  auch  an  dieser  Stelle  für  die  freund- 
liche Unterstützung-  und  Förderung  meiner  Arbeit  herzlich 
danken. 


Berichtigungen. 

Seite  19  Zeile  6  Hess:  commissionem  —  24,  29:  oder  statt  der  —  38,  2fc> : 
stattfinden,  damit  —  46,  19:  Landsteuern  —  56  Anm.  33  Leibschatz  —  60  Anm.  13: 
Eucharius  —  74.  10:  von  statt  rein  —  77.  11:  anliero  statt  anhno  —  85  Anm.  49 
Z.  9:  ingang  statt  Zugang  —  97,  9:  incons.  —  102,  8:  Kaisersesch  —  103,  25:  Schönberg, 
Kempenicb  statt  Schöneck  .... 


Inhaltsübersicht. 


I.  Die  trierischen  Landstände. 

1.  DieSubsidien  des  Klerus  bis  zu  seiner  Vereinigung  mit  den  Ständen  15 

2.  Die  weltlichen  Stände  bis  zum  Jahre  1501   26 

II.  Organisation  der  Stände  im  XVI.  Jahrhundert. 

1.  Das  Domkapitel  ,   44 

2.  Die  geistliche  Kurie   46 

3.  Die  Adelskurie   48 

4.  Städte  u.  Landschaft,  Vertretung  des  Landmanns,  Amtleute    .  54 

III.  Der  Landtag. 

1.  Berufung  etc:  Ausschuß,  keine  besondere  Heimlichkeit,  Land- 
tagskosten, Ort   57 

2.  Gegenstand  der  Verhandlungen,  Wollordnung,  Judenfrage  .    .  62 

IV.  Die  ständischen  Steuern. 

1.  Matrikularumlage  und  gemeiner  Pfennig   70 

2.  Die  trierischen  Stände  und  der  gemeine  Pfennig   75 

3.  Die  Stände  und  die  Matrikularumlage   79 

4.  Die  Ritterschaft  und  die  Landsteuern.    Das  Beedeedikt  ...  81 

5.  Besteuerung  der  Landschaft.    Die  Akzise   92 

6.  Besteuerung  der  Geistlichkeit,  Landschaftskasse   97 

7.  Anhang.    Repartitionslisten   101 

V.  Die  reichsritterschaftliche  Bewegung. 

1.  Der  niedere  Adel  und  die  Territorialherrschaft  

2.  Die  Opposition  des  südwestdeutschen  niederen  Adel  gegen  die 


Reichsreform  und  den  gemeinen  Pfennig,  Sickingen  und  der  Tag 
zu  Landau.  Beginnende  Hinwendung  zum  Kaiser  und  zur 
Reichsunmittelbarkeit  im  Anschluß  an  den  gemeinen  Pfennig 
von  1532  bzhw.  42  

VI.  Der  rheinische  Ritterkreis. 

1.  Sein  Umfang  

2.  Organisation  


—    8  — 


3.  Die  Charitativsubsidien  ....... 

4.  Verhältnis  zur  Landesherrschaft  und  Entwicklung  der  genossen- 
schaftlichen Gerichtsbarkeit  •    .   .  . 

VII.  Die  reichsritterschaftliche  Bewegung  in  Chur-Trier. 

1.  Untergang  der  alten  Reichsministerialen  

2.  Ritterschaft  und  Hofgericht   .    .  ,  

3.  Zur  Bedeutung  der  ländlichen   Gerichtsverfassung    für  die 
reichsritterschaftliche  Bewegung    .    .   .  -.  . 

4.  Der  Prozeß   mit   Landesherrn   und   Ständen,  verschiedene 
Vergleichsversuche  

5.  Neubelebung  des  Streites  zu  Beginn  des  XVIII.  Jahrhunderts 
und  Vergleich  von  1729   


Verzeichnis  der  häufiger  zitierten  Literatur. 


v.  Below,  Territorium  und  Stadt,  1900. 

—      Die  landständische  Verfassung  in  Jülich  und 
Berg  bis  zum  Jahre  1511,  1885—91. 
Die  L  a  n  d  t  a  g  s  a  k  t  e  n  von  Jülich  u.  Berg  UO 1—1610,  1895. 
Bodmann,  Rheingauische  Altertümer  2  B.  1819. 
Burgermeister,  Codex  diplomaticus  equestris. 
Felln  er,  Die  fränkische  Ritterschaft  1495—1521,  Historische  Studien, 

Heft  50,  Berlin,  Ebering. 
Goerz,  Regesten  der  Erzbischöfezu  Trier  1859. 

—     Mittelrheinische  Regesten  1876—86. 
Günther,  Codex  diplomaticus  Rheno-Mosellanus  1822  f. 
Hontheim,  Historia  Trevirensis  diplomatica  et  pragmatica  1750. 

—  Prodrom  us  historiae  Trevirensis  1757. 

Kerner,  Staatsrecht  der  unmittelbaren  freien  Reichsritterschaft  1786— 89. 
Lager,  Johann  II.  v.  Baden,  im  trierischen  Archiv,  Ergänzungsheft 
IV,  1905. 

Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittelalter. 

L  ü  n  i  g ,  Reichsarchiv  1710—22. 

Marx,  Geschichte  des  Erzstifts  Trier  1 858 f. 

Moser,  Staatsrecht  des  kurfürstlichen  Erzstifts  Trier  1740. 

Neue  und  vollständige  Sammlung  der  Reichsabschiede  1747. 

Riezler,  Geschichte  Bayerns  1878. 

Roth  v.  Schreckenstein,  Geschichte  der  ehemaligen  freien  Reichsritter- 
schaft. 

Sauerland,  Trierische  Taxen  und  Trinkgelder  an  der  päpstlichen 
Kurie,  während  des  späteren  Mittelalters.  Westdeutsche 
Zeitschrift  XVI,  1897. 

S  c  o  1 1  i ,  Sammlung  der  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  in  dem 
vormaligen  Kurfürtentum  Trier  etc.  ergangen  sind.  1832. 

S  tälin,  Wirtembergische  Geschichte  1841  f, 

Ulmann,  Franz  v.  Sickingen  1872. 

Wolf,  Aus  Kur-Köln   im  XVI.  Jahrhundert.     Historische  Studien  51. 

Berlin,  Ebering. 
W  y  1 1  e  n  b  a  c  h  ,  Gesta  Trevirorum  1 836. 


Digitized  by  the  Internet  Archive 
in  2014 


https://archive.org/details/dielandstndischeOOknet 


Vorbemerkungen. 


Die  vorliegende  Arbeit  sollte  ursprünglich  nur  die  Ent- 
stehung der  landständischen  Verfassung  in  Kur-Trier  be- 
handeln. Es  zeigte  sich  bald,  daß  für  das  ausgehende  Mittel- 
alter die  Ausbeute,  welche  die  bekannte  Landeinung 
von  1456  zu  versprechen  schien,  ausblieb.  Der  Schwerpunkt 
mußte  sich  daher  auf  das  16.  Jahrhundert  verlegen  und 
hier  wurde  es  notwendig,  in  umfassenderer  Weise,  als  die 
spezifisch  landständischen  Quellen  es  zuließen,  die  Los- 
lösung des  Adels  von  der  Landstandschaft  und  die  Ent- 
stehung der  Reichsritterschaft  zu  behandeln. 

Für  die  Geschichte  der  Landstände  erstrebt  die  Arbeit 
bis  zum  Jahre  1576,  dem  Beginn  des  Prozesses  mit  der 
Ritterschaft,  Vollständigkeit,  auch  die  Quellen  bis  1600  und 
darüber  hinaus  sind  eingehend  nachgeprüft  worden. 

Bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters  reichen  mit  einigen 
Ausnahmen  (zu  bemerken  sind  namentlich  die  wenigen  er- 
haltenen Protokollbücher  des  Domkapitels  im  Koblenzer 
Staatsarchiv),  die  gedruckten  Quellen  aus,  deren  Originale 
sich  durchweg  im  Koblenzer  Staatsarchiv  befinden. 

Die  große  Masse  der  Landtagsakten  lagert  ebenda  unter 
dem  Titel  „Trierer  Landstände"  (t.  1.  zitiert).  Recht  wert- 
volles Material  auch  für  die  Geschichte  der  Landstände  findet 
sich  ferner  in  ziemlicher  Menge  zerstreut  unter  dein  Wust 
der  reichsritterschaftlichen  Akten  (Reichsritterschaft,  Kanton 
Niederrhein,  R.  R.  zitiert),  namentlich  auch  den  beiden  ,,tomus 
attestationum"  (R.  R.  *  VIII,  1  und  2),  deren  erster  ein 
systematisch  angelegtes  Verhör  der  kurfürstlichen  Zeugen, 


—    12  — 


der  zweite  ein  wildes  Konvolut  von  ritterschaftlichen  Beweis- 
materialien bildet. 

Einiges  bietet  sowohl  zu  den  landständischen  wie  zu  den 
reichsritterschaftlichen  Akten  die  Stadtbibliothek  Trier. 

Zum  Schluß  bleibt  mir  noch  die  angenehme  Pflicht,  allen 
Herren  Beamten  des  Koblenzer  Staatsarchivs  sowie  Herrn 
Stadtbibliothekar  Dr.  Kentenich  zu  Trier  herzlich  zu  danken 
für  das  liebenswürdige  Entgegenkommen,  mit  dem  sie  meine 
archivalischen  Studien  unterstützt  haben. 


I.    Die  trierischen  Landstände. 

Seit  dem  hohen  Mittelalter  ist  in  der  Entwicklung  der 
geistlichen  Staaten  in  Deutschland  ein  Stillstand  eingetreten; 
sie  haben  seit  dieser  Zeit  keine  erheblichen  Verschiebungen 
ihrer  Grenzen  mehr  erlebt;  ihr  politischer  Einfluß  tritt  all- 
mählich gegenüber  den  zw|ar  sprunghaft  und  vereinzelt,* 
aber  unaufhaltsam  vorstrebenden  weltlichen  Territorien 
zurück.  Eine  ausgreifende  Vergrößerungs-  und  Er- 
oberungspolitik, wozu  den  weltlichen  Dynastien  verwandt- 
schaftliche Beziehungen,  namentlich  auch  Erbverträge,  einen 
erwünschten  Rechtsgrund  herliehen,  war  bei  ihnen  natur- 
gemäß ausgeschlossen,  allerdings  auch  die  Kehrseite  dieser 
Erscheinung,  die  Zersplitterung  der  zusammengerafften  Ge- 
biete durch  Erbteihingen.  Es  stand,  dafür  in  den  geistlichen 
Staaten  eine  andere  Ge[fahr  zu  befürchten,  daß  die  Bischöfe, 
die  vielfach  aus  fürstlichen  Häusern  stammten,  das  Kirchen- 
gut zugunsten  ihrer'  Familiie  verschleuderten.  Versuche  dazu 
lassen  sich  vereinzelt  nachweisen,  aber1  es1  bildete  sich  dazul 
frühzeitig  ein  Gegengewicht  in  den  Domkapiteln.  Als  bereits! 
kurz  nach  dem  Wiormser  Konkordat  diese  sich  das  alleinige 
Wahlrecht  des  Bischofs  angeeignet  hatten1,  folgten  sie  zwar 
auch  dem  alle  mittelalterlichen  Wahlkorporationen  charak- 
terisierenden Zug,  sich!  dabei  möglichst  viel  persönliche  Vor- 
rechte, wie  Steuer,  Testierfreiheit,  eigene  Gerichtsbarkeit  und 
dergleichen  mehr,  und  einen  möglichst  großen  dauernden^ 
Einfluß  auf  den  Gewählten  zu  sichern,  aber  es  läßt  sich  nicht 

  i  ;  • 

I.  cf.  G.  v.  Below,  Die  Entstehung  des  ausschliesslichen  Wahl- 
rechts des  Domkapitels  1883,  Leipzig,  historische  Studien,  Bd.  11. 


—    14  — 


leugnen,  daß  die  vW[ahlk,apitulationen,  in  denen  seit  dem 
XIII.  Jahrhundert  das  .gegenseitige  Verhältnis  zwischen 
Kapitel1  und  Bischof  festgelegt  Wurde,  auch  in  erheblichem 
Maße  das  Interesse1  Und  Wohl1  des  ganzen  Landes'  vertraten. 
Die  Form,  in  der  sich  die  Kapitel  ihre  Mitwirkung  an  den 
Geschäften  des  Gewählten  vorbehielten,  war  das  Konsens- 
recht. Eine  Bestimmung!  nun,  die  in  allen  rheinischen  Kapi- 
tulationen, in  Mainz,  Trier,  Köln,  Lüttich,  wiederkehrt,  be- 
isagt, daß  der'  Bischof  bei  Veräußerung'  von  Land  an  die  Ein- 
willigung seines  Kapitels  gebunden  ist.  Damit  übt  dieses 
eine  Beschränkung  des;  JLandesherren  aus,  wie  es  hier  und  da 
auch  kräftig  und  frühzeitig  tntwickelte  Landstände  ver- 
mögen. /  Dodh  nehmen  iie  Kapitel,  wenigstens  in 
den  erwähnten  vier  Stiften,;  eine  Mittelstellung1  zwischen 
Territorialherren  und  Ständen  ein.  Jenen  gegenüber 
vertreten  sie  die  Interessen  des  Landes'  und  der 
Stände,  von  diesen  lassen  sie  sich  als  Erblandes- 
und Grundherren  bezeichnen.  In  Mainz  fand  dies 
Verhältnis  seinen  lebendigen  Ausdruck  dadurch,  daß  seit 
dem  Ausgang  des  XIV.  Jahrhunderts  die  Stände  des  Rhein- 
Igaus  bei  der  Huldigung  des  neuen  Kurfürsten  auch  dem 
Domkapitel  die  Erbhuldigung  leisteten,  ihm  gelobten,  treu 
und  gewärtig  zu  sein,  wenn  der  Erzbischof  in  Gefangenschaft 
geriete  oder  stürbe,  dem  Kapitel  gegen  den  Landesherren 
beizustehen,  wenn  er  ohne  dessen  Bewilligung  Land  ver- 
äußern wolle2.  In  Lüttich  durften  die  Kastellane  (Burg- 
mannen) ihr  Amt  nicht  antreten,  ohne  dem  Kapitel  den; 
Treueid  geleistet  zu  haben3.  Auch  die  trierischen  Beamten 
waren  dazu  verpflichtet3.  Diese  Mischung  von  ständischen 
und  Herrschaftsrechten  ist  überall  vorhanden,  auch  dort,  wo 


2.  cf.  Bodmann,   Rheinganische   Altertümer  1819   I    17,  18; 
II  524. 

3.  cf.  Wohlwill,  Die  Anfänge   der  landständischen  Verfassung 
im  Bistum  Lütfich  1867  p.  55. 


-    15  — 


das  Kapitel  nicht  eigentlich!  zu|  den  Landständen  zählt,  wie  in 
Kurtrier. 

Zwar  nicht  durchgehend,,  :aber  doch'  ziemlich'  häufig  läßt 
sich  die  Beobachtung  machen,  daß  der  übrige  Klerus  nicht 
die  Landstandschaft  besitzt,  wenn  das  Domkapitell  darani 
^beteiligt  ist,  so, in  Köln,  Mainz  u|nd  Lüttich,  ferner  in  Münster, 
Osnabrück,  Paderborn4. 

In  diesem  Fall  pflegt  dann  mit  dem'  Klerus  in  be- 
sonderen Verhandlungen  über  seine  Subsidien  und  Steuern 
verhandelt  zu  werden.  Es  darf  daraus  nicht  geschlossen 
werden,  daß  die  Geistlichkeit  erst  nachträglich  zu  Land- 
steuern herangezogen  worden  wäre,  ihre  Subsidien  bilden 
vielmehr,  soweit  ich  sehen  kann,  in  den  geistlichen  Staaten 
den  Ausgangspunkt  für  die  außerordentliche  Besteuerung 
des  Landes;  sie  tauchen  stellenweise  schon  zu  Beginn  des 
XIII.  Jahrhunderts  auf5. 


1.  Die  Subsidi  en  des  kürtri  eris'ch'en  Klerus 
bis    zu    dessen   Vereinigung    mit    den  Land- 

1  ständ  en. 

Eine  Besteuerung  des  Pfarrklerus  war  auch  in  Trier 
schon  von  alters  her  vorhanden  in  dem  cathedraticum,  das 


Ueber  Köln :  Wolf,  Aus  Kurköln  im  XVI.  Jhdt.  Historische 
Studien  (Ebering)  51,  p.  7. 

Trier:  Lager,  Johann  II.  v.  Baden  im  Trierischen  Archiv, 
Ergänzungsheft  IV  1905  p.  11. 

4.  Ueber  letztere  cf.  Moser,  Von  der  deutschen  Reichsstände 
Landen  1769  p.  461  ff. 

5.  cf.  den  Artikel  „Abgaben,  kirchliche1'  in  der  Realenzyklo- 
pädie für  protestantische  Theologie  und  Kirche  1896  Bd.  1. 


—    16  - 


aber  großenteils  in  die  Hände  der  Archidiakone  geraten 
war6.  Nun  steigerte  sich  etwa  seit  dem  dritten  Viertel  des 
XIII.  Jahrhunderts  das  Geldbedürfnis  des  Erzbischofs  sehr 
erheblich.  Einmal  legte  der  entstehende  päpstliche  Fiskalis- 
rnus  dem  Stift  drückende  Lasten  auf  in  der  Form  von  Servi- 
tien  und  Palliengeldern  und  all  den  sonstigen  Unkosten, 
welche  die  Konfirmation  des  Erzbischofs  und  besonders  die 
päpstlichen  Provisionjen  mit  sich  brachten.  Heinrich  II. 
(1260—86),  der  erste  providierte  Erzbischof  von  Trier,  sah 
sich  deswegen  gezwungen,  dem  Sprengel  eine  gewaltige 
Schuld  aufzubürden7.  Er  beginn  zugleich  damit,  den  plan- 
mäßigen Ausbau  und  die  Erweiterung  des  Territoriums 
energisch  ins  Werk  zu  setzen,  eine  Periode,  die  unter  dem 
großen  Balduin  (1307 — 54)  ihren  Höhepunkt  und  Abschluß 
erreichte.  Auch  dies  bedingte  einen  hohen  Aufwand  an 
Geldmitteln8.  Der  Bischof  suchte  ihn  in  Trier  wie  in  anderen 
Stiften  durch  Subsidienf orderungen  an  seinen  Diözesan- 
kierus  zu  decken. 

Ein  solches  subsidium  ist  zuerst  unter  Eb.  Arnold 
(1245—59)  nachweisbar,  bei  der  kostspieligen,  fast  zwei 
Jahre  dauernden  Belagerung  der  Burg  Turun.  .  .  .  ecclesie 
quoque  et  civitates  diocesis  trevirensis  de  mandato  domini 
pape  voluntarium  sibi  subsidium  impenderunt,  berichten 
darüber  die  gesta  Trevirorum.  Und  weiter:  pacem  et  con- 
cordiam  cum  ecclesiis  suis  habuit  dominus  Arnoldus  archiep. 
que  sibi  etiam  in  omnibus  necessitatibus  suis  plurimum  ser- 


6.  cf  Lamprecht,  Wirtschaftsleben  I  2;   p.  1283  n.  2. 

7.  cf.  Franz  Casper,  Heinr.  II.  v.  Vinstingen.  Märburger 
Dissertation  1899  p.  9,  20  ff.  Die  älteste  vereinzelte  Nachricht 
über  eine  Geldleistung  des  neuerwählten  Eb.  an  die  Kurie  stammt 
bereits  aus  dem  Jahre  1190,  cf.  Sauerland,  Trierische  Taxen  und 
Trinkgelder  an  der  päpstlichen  Kurie  während  des  späteren  Mittel- 
alters.   Westdeutsche  Zeitschrift  Bd.  16,  1897. 

8.  cf.  Monumenta  Germaniae,  Scriptores  XXIV  p.  460. 


—    17  — 


vierunt9.  Sein  Nachfolger  Heinrich  v.  Vinstingen  setzt  die 
Besteuerung  des  Klerus  fort.  1286  verlangt  er  von  ihm 
die  Entrichtung  des  zwanzigsten  Teils  seiner  jährlichen  Ge- 
fälle für  die  Verteidigung  seiner  Rechte  gegen  den  Grafen 
von  Luxemburg  und  dessen  Beamte,  welche  die  öffent- 
lichen Straßen  und  den  Moselfluß  gesperrt  und  seine  Güter 
mit  Arrest  belegt  haben10. 

Eb.  Boemund  hat  mehrfach  während  seiner  Regierung 
(1289 — 99)  Suibsidien  gefordert11,  so  geht  es  von  da  an  fort 
durch  'das  ganze  Mittellalter. 

Bestimmte  Nachrichten  über  die  Höhe  der  bewilligten 
Summen  fehlen  fast  völlig.  Nach  einer  Abrechnung  des 
Siegelbewahrers  am  Offizialat  zu  Trier  wurden  im  Jahre 
1339  5000  lb.  hl.,  nach  Lamprechts  Schätzung  etwa  220  000 
Mark  im  heutigen  Geldwert,  als  Subsidien  aufgelegt12. 

Doch  ist  neben'  einer  Reihe  von'  kleineren  Registern  der 
Anschlag  für  den  gesamten  Diözesanklerus  erhalten,  der 
als  simplum  bei  den  Subsidien  zugrunde  gelegt  wurde,  die 
im  „Biuch  der  Anschläge"  verzeichnete  taxa  generalis  sub- 
sidiorum  cleri  Trevirensis.  Das  Buch  der  Anschläge  ist  in 
zwei  Abschriften  des\XVIII.  Jahrhunderts  erhalten13,  die  taxa 
hat  Fabricius  daraus^  publiziert  und  die  übrigen  auffindbaren 
Register  teils  mit  ,  abgedruckt,  teils  wenigstensi  verglichen 
|und  zitiert14.  Das  Original  der  taxa  verlegt  er  mit  ein- 
leuchtenden Gründen  in  die  Anfangszeit  Balduins.  Nach 


9.  M.  G.  SS.  XXIV  409,  42;  413,  18. 

10.  A.  Goerz,    Mittelrheinische  Regesten  IV  nr.  1328. 

11.  magnum  thesaurum  largissime  expendebat,  unde  saepius  ab 
ecclesiis  subsidia  postulabat.  Wyttenbach,  Gesta  Trevirorum  1836 
II,  142. 

12.  cf  Lamprechts  Wirtschaftsleben  I  2 ;  p.  1284;  die  Ab- 
rechnung abgedruckt  III  nr.  292. 

13.  Koblenz.    Staats-Archiv.    Trierer  Landstände  (t.  1.)  10. 

14.  Im  trierischen  Archiv,  Heft  VIII. 


—    IS  - 


welchem  Verhältnis  die  Anschläge  gemacht  s|!nd,  läßt  sich 
aus  ihr  nicht  erkennen,  doch  ,st  es  vermutlich  wie  bei  dem 
entsprechenden  'Über  valoris  von  Köln15,  der  aus  derselben 
Zeit  stammt  (1310—16),  der  Zehnte  der  in  Geldeswert  um- 
gerechneten Einkünfte. 

Die  Einnahme  der  Subsidien  erfolgte  im  allgemeinen 
durch  die  Siegeler  ,am  Offizialat  zu  Trier  und  Gobienz.  Doch 
bereits  1286  kommt  lauen  eine  eigene  Verwaltung  des  er- 
hobenen Geldes  vor.  Domdeehant,  Scholaster*  und  ein  Kapi- 
tular,  sowie  zwei  Kanoniker  von  St.  Simeon  in  Trier  sollen 
Einnehmer,  Verwalter  (procuirator)  und  custor  ernennen16. 
Aus  derselben  Urkunde  geht  auch  wie  aus  den  chronikalen 
Nachrichten  hervoir,  daß  der  Klerus  der  ganzen  Diözese  von 
Anbeginn  an  nicht  bloß(  in  rein  geistlichen  Angelegenheiten^ 
sondern  auch  für  weltliche  Interessen  des  Erzbisch ofs  zu 
Abgaben  herangezogen  wurde,  so  bei  der  Belagerung  von 
Turon,  oder  hier  im  Kampfe  gegen  den  Herzog  von  Loth- 
ringen. Dies  geschieht  nach  der  Abrechnung  von  1339  zu 
urteilen  noch  um  die  M;itte  des  XIV.  Jahrhunderts.  Später 
entwickelt  sich  dann  eine  Trennung  zwischen  den  Land- 
steuern, und  den  Palliengeldern;  der  auswärtige  Diözesan- 
klerus  trug  nur  zu  den  letzteren  bei.  Die  einzelnen  Phasen 
dieser  Entwicklung  sind  nicht  mehr  zu  erkennen,  bestimmt 
nachweisen  läßt  sich  jene  Trennung  erst  im  XVI.  Jahr- 
hundert, aber  bereits  zu  Beginn  des  XV.  hatte  der  Herzog 
von  Luxemburg  seinem  Klerus  einmal  verboten,  überhaupt 
Subsidien  an  den  Erzbischof  zu  zahlen17. 


15.  Binteri'Ti  Mooren,  *  Die  Erzdiözese  Köln  1892  I  p.  57  ff.; 
über  das  kirchliche  Abgabenwesen  in  den  deutschen  Bistümern 
vgl.  die  Litteraturangaben  in  Meisters  Grundriß  der  Geschichts- 
wissenschaft II,  6,  Verfassungsgeschichte  der  deutschen  Kirche  im 
Mittelalter  von  A.  Wenninghof!  p.  52,  n.  1. 

16.  Mittelrhein.  Regesten  IV  nr.  1,528. 

17.  cf.   Hontheim,    Historia  Trevirensis  Diplomatica   et  Prag- 


—    19  — 


Die  Erlegung  der  Subsidien  wurde  unter  Umständen 
durch  geistliche  Strafen  erzwungen.  Sie  sind  durch  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  in  Uebung18.  Noch  1488  verlangt  das1 
Domkapitel  für  die  von  ihm  ernannte  Kommission  (je  zwei 
von  Kapitel  und  Klerus)  „sublevandi  illa  subsidia  nec  non  a 
rebellis  per  censuras  extorquendi  plenariam  commissionum, 
et  auctoritatem  citandi,  monendi  et  absolvendi19."  Die  Sub- 
sidienverhandlungen  mit  dem  Klerus  fanden  getrennt  nach 
Ober-  und  Niederstift  statt.  Balduin  hatte  die  geistliche 
Verwaltung  in  ein  oberes  und  niederes  Offizialat  mit  den 
Hauptsitzen  Trier  und  Coblenz  geteilt20.  Die  taxa  generalis 
scheidet  denn  auch  schon  Ober-  und  Niederklerus,  die 
außerdem  nach  verschiedenem  Münzfuß,  jener  nach  Denaren, 
dieser  nach  Hellern  angeschlagen  sind.  Nur  der  Nieder- 
klerus kennt  die2  nach  der  Währung  (Guldenrechnung)  zu 


matica  1750  JI  p.  346;  Schiedsspruch  zwischen  Eb.  Werner  u. 
Carl  v.  Luxemburg  den  6.  aug.  1406:  vorder  sal  auch  unsere  vor- 
geschriebene herre,  der  marschalk  und  das  Land  von  Luzenburg 
abe  doen  solche  gebot,  als  sie  uf  unsers  herrn  subsidium  von  Trier 
gedaen  hatten. 

18.  cf.  die  eben  zitierte  Urkunde  von  1286;  ferner  Hontheim 
II  p.  39;  1309  2.  juny.  Der  Dechant  von  St.  Florin  als  Ein- 
nehmer des  Subsidiums  im  Niedererzstift  anulliert  das  von  ihm 
über  Dechant  u.  Kapitel  von  St.  Simeon  in  Trier  u.  die  diesem 
inkorporierte  Kirche  zu  Hönningen  wegen  Weigerung  des  Subsi- 
diums verhängte  Interdikt  u.  die  Exkommunikation  u.  Suspension. 
Cod.  Dipl.  Rommersdorf.  63,  1437  (nach  Lamprecht  I,  2  p.  1280 
n.  2):  Das  Konzil  zu  Basel  beauftragt  den  Propst  von  St.  Georg 
u.  Dechant  von  St.  Andreas  in  Köln,  die  Abtei  Rommersdorf  von 
der  Exkommunikation,  welche  das  Offizialat  zu  Coblenz  wegen 
Weigerung  des  Subsidiums  über  sie  verhängt  hat,  zu  befreien  u. 
die  Angelegenheit  endgültig  zu  entscheiden. 

19.  St.  A.  Domkapitel  I  B.  68;  Protokollbuch  p.  20. 

20.  cf.  Marx,  Geschichte  des  Erzstifts  Trier  1858  f.  I  1 
p.  224. 


-    20  — 


urteilen  später  eingeführten  s'ubsidia  inconsüeta,  die  von 
den  kleinen  Pfründnern,  Vikaren  und  Altaristen  erhoben 
wurden,  soweit  sie  nicht  unter  das  subsidium  consuetum 
fielen.  Für  das  Oberstift  ist  ihr  Fehlen  im  Buch  der  An- 
schlage ausdrücklich  vermerkt. 

Die  Trennung*  zwischen  Ober-  und  Niederklerus  läßt  sich 
bis  gegen  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  und  in  ihren  Nach- 
wirkungen bis  lange  nach  der  Vereinigung  mit  den  Land- 
ständen verfolgen.  Als  1457  der  Oberklerus  den  vom  Papst 
auferlegten  Türkenzehnten  zu  verweigern  beschloß,  schrieb 
das  Domkapitel  an  den  Niederklerus,  er  möge  zu  einer 
neuen  Versammlung  in  Gobienz  einige  Bevollmächtigte  ent- 
senden, damit  in  dieser  Frage  zwischen  beiden  keine  Spaltung 
entstehe21.  Ein  Beschluß,  des  Domkapitels  vom  Jahre  1488: 
primo  et  ante  omnia  mittantuir  duo  [ex  capitulo  Trev.  ad 
cl'erujm  inferiorem22  deutet  nicht  [minder  auf  örtlich  und 
zeitlich  getrennte  Verhandlung  beider  Teile,  wie  die  gleich 
zu  besprechende,  1493  nur  vom  Niederklerus  geschlossene 
Vereinigung.  Daher  erklärt  sich  die  wegen  Mangels  an 
früheren  Nachrichten  erst  ,auis  dieser  Zeit  nachweisbare  auf- 
falllende  Ersch eintrug,  daß  die  Z[ahl  der  von  Ober-  und 
Niederklerus  bewilligten  Subsidien  oft  ganz  erheblich  von 
einander  abweicht.  1498  bewilligt  nur  der  Oberklerus,  der 
major  et  sanier  pars,  eine  Steuer,  während  der  Niederklerus 
sich  weigert.  Bei  der  Landsteuer  von  1501  stehen  gegen 
6  Subsidien  auf  der  einen  Seite  3  cons.  und  1  incons.  auf 
der  landeren.  Zur  Reichssteuer;  von  1522  bewilligt  der  Ober- 
klerus 12,  der  Niederkler!us,  17  s'ubs1.  consueta  und  2  incons.; 
bei  P;aliiengeldern  jener  12,  18  und  zweimal  16  subs.,  dieser 
jedesmal  6  cons.  und  1/2 — 2  incons.  (1503:  12,  31,  41)23. 


21.  Lager  p.  25.  Anm. 

22.  St.  A.  Domkapitel  I  B  68  p.  20,  ct.  I  B  67  hat  sich 
daruf  die  oberpfaffheit  sementlich  besprochen  1480. 


—    21  — 


Die  Subsidien  bildeten  namentlich  seit  den  unglück- 
lichen W,ahlstreitigkeiten  in  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahr- 
hunderts eine  drückende  Last  für  die  Geistlichkeit  od|erj 
wurden  wenigstens  als  solche  empfunden;  extorquere  ist 
der  ständige  Ausdruck  für  ihre  Erhebung.  Von  Jacob  von 
Sirk  (1439 — 56)  berichten  die  gesta:  Hic  etiam  fuit  multum 
infestuis  toti  clero  excepto  capitulo  Trevirensi  et  hoc  solum- 
modo  propter  pecumias  extorquendas  et  extorsit  maximam! 
summam  imponendo  subsidia24.  Erst  seit  dem  Ende  des 
XV.  Jahrhunderts  werden  auch  die  weltlichen  Stände  zu 
Landsteuern  herangezogen,  aber  noch  über  Richard  von 
Greiffenclaui  wird  geklagt,  er  'sei  nach  einer  höchst  grau- 
samen und  unerhörten  Schätzung  'der  Geistlichen  in  ein'e 
geheimnisvolle  Krankheit  (man  dachte  Vergiftung)  ver- 
fallen25. Daß  jene  Klage  nicht  übertrieben  war,  beweist  eine, 
von  Wyttenbaeh  in  einer  Anmerkung  dazju  gebrachte  Notiz 
aus  einer  handschriftlichen  Chronikj  des  Klosters  Himmerode 
Der  Erzbischof  habe,  als'  er  dem  Pfalzgrafen  und  dem  Land- 
grafen (vermutlich  im  Bauernkriege)  die  erbetene  Hilfe 
gebracht  habe,  den  Klerus  wiederum  schwer  geschätzt.  Da 
kein  Gefd  vorhanden  v.iai",  mußte  das  Kloster  8  Kelche, 
ebensoviel  silberne  Teller  für  die  Hostie  (patenas)  und  ein 
wertvolles  Meßgewand  (planetam  pretiosorem)  der  Kirche 
entnehmen,  ferner  ein  Haus  in  Trier  und  Sachen  im  Werte 
von  1000  gd.  verkaufen.  Dem  Herzog  Joh.  v.  Bayern  und 
dem  Markgrafen  PhilL  v.  Baden  steuerte  es  außerdem  für 
seinem  Hof  in  Traben  80  Goldgulden. 

Rechnet  man  zu  den  Subsidien,  welche  der  Bischof 
als  Konfirmations-  und  Palliengeider  vom  gesamten  Diözesan- 
klerus  erhob  und  die  namentlich  bei  kurzen  Regierungen 


23.  Nach  den  Angaben  des  Buchs  der  Anschläge. 

24.  Wyttenbaeh  II  p.  326. 

25.  das.  p.  375. 


—    22  — 


an  sich  schon  keine  unbedeutende  Last  ausmachten,  und 
zu  den  Auflagen,  die  er  für  die  Bedürfnisse  seines  Landes 
verlangte,  nun  noch  die  Türkenzehnten,  wie  sie  von  Kaiser 
und  Papst  ausgeschrieben  wurden,  hinzu,  so  darf  man 
wohl  annehmen,  daß  im  ausgehenden  Mittelalter  der  Klerus 
im  triersehen  Territorium  wie  kein  anderer  Stand  mit 
Steuern  belastet  war.  Dazu  kam,  daß  seit  Jacob  von  Sirk 
lauich  das  Zollprivileg  der  Geistlichen  mit  päpstlicher  Ge- 
nehmigung aufgehoben  war.  1472  wurde  dies  von  Johann 
v.  Baden  neuerdings  bestätigt26. 

Eine  zunehmende  Opposition  der  Geistlichkeit  macht 
sich  dagegen  bemerkbar.  Von  Kur-Mainz  ist  überliefert,  daß 
der  dortige  Klerus  sich  gegen  einen  frühzeitigen  Versuch 
Eb.  Conrads  I.  (1183—1200),  die  Subsidien  einzuführen,  ge- 
sträubt hat.  „Mirati  sunt  universi,  et  omnes  qui  audiebant, 
dicebant,  qualis  est  hic,  qui  tributarium  facit  clerum?"27 

In  Trier  gehen  die  Nachrichten  nicht  so  weit  zurück 
und  im  XIV.  und  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts 
richtet  sich  der  Widerstand,  soweit  bekannt  ist,  hauptsächlich 
gegen  die  päpstlichen  Auflagen.  Ueber  eine  leidenschaft- 
liche und  erfolgreiche  Opposition  gegen  die  Erhebung  eines 
Türken  zehn  ten  und  der  Annaten  im  Jahre  1347  berichtet 
Sauerland28.  Sie  führte  bis  zu  Tätlichkeiten,  dem  päpst- 
lichen Boten  wurde  einmal:  sehr  übel  mitgespielt,  ein  anderes 
Mal  gar  eine  Hand  abgehauen.  Balduin,  der  freilich  selbst 
allen  Grund  hatte,  gegen  die  Habgier  der  Kurie  erbost  zu 
sein,  scheint  dies  im  Stillen  gebilligt  zu  haben.  Nach  des 
Trithemius  Hirschauer  Annalen  vereinigten  sich  1358  Dom- 
kapitel und  Klerus  der  drei  rheinischen  Provinzen  gegen 
einen  vom  Papst    ausgeschriebenen   Türkenzehnten  und 


26.  Marx  II  208;   Hontheim  TI  457. 

27.  Bodmann  p.  783. 

28.  a.  o.  O.  p.  100. 


—    23  — 


wandten  sich  auch  an,  die  übrigen  deutschen  Bistümer.  „His 
papa  cognitis  et  metuens,  fieri  dissensionem,  silentio  rem 
perpetuio  sepelivit29." 

1456  treten  die  rheinischen  Kurfürsten  selbst  (mit  Aus- 
nahme des  noch  nicht  bestätigten  Eb.  von  Trier)  mit  Ver- 
tretern der  drei  Domkapitel'  zusammen  ujnd  lehnen  ent- 
schieden einen  päpstlichen  Türkenzehnten  ab,  1457  werden 
entsprechende  bereits  früher  von  Kapiteln  und  Geistlich- 
keit eingegangene  Bündnisse  erneuert.  Am  11.  Juli  1472 
berieten  sie  wiederum,  wie  man  sich  dem  erneuten  Zehnten 
(Reichstag  zu  Regensburg  1471)  entziehen  könne.  Die 
drohende  Strafe  der  Exkommunikation  wollen  sie  nicht  be- 
achten 'und  sich  gegenseitig  in  Schutz  nehmen.  Eb.  Johann 
muß  damit  einverstanden  sein,  denn  er  lädt  am  13.  juli 
Dekane  und  Kapitel  der  Land-  und  Kollegiatkirchen  des' 
niederen  Offizjaljats  zui  einer  Beratung  über  jene  Vorbe- 
schlüsse ein30. 

Von  ernsthaften  Zerwürfnissen  der  Geistlichkeit  mit 
ihrem  Erzbischof  erfahren  wir  erst  aus  den  80  er  Jahren 
des  XV.  Jahrhunderts  näheres.  Die  aus  dieser  Zeit  er- 
haltenen Protokollbücher  des  Domkapitel'  verbreiten  darüber 
einiges  Licht.  Die  Finanzlage  war  unter  Johann  von  Baden 
(1456 — 1503)  in  einer  seit  dem  Schisma  zwischen  Raban 
v.  Helmstadt  und  Ulrich  v.  Manderscheid  chronisch  ge- 
wordenen traurigen  Verfassung,  der  letzte  Eb,  Jacob  v.  Sirk, 
hatte  allein  270  000  gti  Schulden  für  verpfändete  Schlösser 


29.  teilweise  abgedruckt  in  Hontheims  Prodromus  historiae 
Trevirensis  1757  p.  11 89. 

30.  Näheres  s.  bei  Lager  a.  a.  Q.  p.  24,  41  ff.  Ferner  das 
lagersche  handschriftliche  Repertorium  des  Domarchivs  im  Koblenzer 
Staatsarchiv  ß.  98  1 — 3,  1460  31.  mai  kölner  Dk.  an  das  trierer, 
verhält  sich  ablehnend  gegen  den  Zehnten.  156,  zweite  Hälfte  des  XV. 
trierer  Kapitel  an  das  mainzer:  man  sehe  nicht  ein,  dass  die  deutschen 
allein  den  zehnten  zahlen  sollten,  wo  es  sich  doch  um  die  ganze 
Christenheit  handle. 


-    24  - 


und  Aemter  hinterlalssen.  Die  einzige  Außerordentliche 
Steuerquelle  für  den  Kurfürsten  war  einstweilen  noch  immer 
der  Klerus.  N'jäich  d(elm  B(ach  der  Anschläge  hat  er  in 
den  Jahren  1457,  59,  65,  67,  77,  81,  89—91  Subsidien  be- 
willigt, meist  wiohl  jeidiesimial'  in  2 — 3jährigen  Terminen.  Kein 
Wunder  daß  er  schließlich  (anfing,  schwierig  zu  werden. 
Der  Eb.  wendet  (sich  |ain,  den  Papst,  und  dieser  fordert  in 
einem  Breve  vom  5.  1.  1481  'den  Grafen  Philipp  v.  Mander- 
scheid auf,  dem  Eb.  'mit  starkem  Arm  ziur  Erhebung  der 
Subsidien  behilflich  zu  seijn,  die  Wahlkapitulation,  die  neben 
vielen  anderen  Beschränkungen  auch  die  Subsidien  von  der 
Bewilligung  des  Domkapitels  abhängig  macht,  wird  durch 
eine  Buille  vom  22.  4.  81  aufgehoben,  auch  erwirkt  der 
Eb.  ein  kaiserliches  Mandat  für  sich.  Domkapitel,  Prälaten 
und  Klerus  appellierten  gegen  beides31,  doch  ein  neues 
Breve  ermächtigt  den  Eb.  Zwangsmittel1  gegen  den  auf- 
sässigen Klerus  anzuwenden.  Schließlich  wird  der  Streit 
doch  beigelegt.  Die  Geistlichkeit  hat  sich  bereit  erklärt, 
ein  zweijähriges  Subsidium  zu  übernehmen,  „wie  wol  es 
swerlich  fallet",  wenn  der  Eb.  bereit  sei,  die  Bulle  und  der 
Pfaffheit  Beschwerungen  abzustellen32.  1486  Und  87  werden 
neuerlich  Su'bsidienf orderungen  des  Elb.  vom  Domkapitel 
(abgelehnt.  Am  22.  juli  letzten  Jahres  bewilligt  das  Dom- 
kapitel eine  Summe  unter  der  Bedingung,  daß  die  Gelder 
nur  zum  Besten  des  Stifts  unter  Beirat  des'  Kapitels  ver- 
wendet werden33. 

Am  15.  mai  1493  schloß  der  Niederklerus  ein  förm- 
liches Bündnis  gegen  die  Sulbsidienf orderungen  des  EJ>.34. 

Wenn  der  Eb,  der  seine  Offiziale,  Siegeler  und  andere 


31.  Ausführlicher  bei  Lager  p«  91  ff.;  cf.  Protokollbücher  des 
Dk.  1  B.  66  p.  150  ff.  67,  p.  18,  19,  32. 

32.  St.  A.  Dk.  I  B  67,  p.  151,  142. 

33.  Lager  p.  94.    Dk.  I  B.  68  p.  20. 

34.  Original,  besiegelt  vom  Abt  zu  Laach,  im  St.  A.  I  A. 
2718. 


—    25  — 

Bevollmächtigte  von  dem  Klerus  insgesamt  oder  von  ein- 
zelnen Stiftern,  Klöstern  jund  JKirchen  Subsidien  erpressen 
(extorquere)  wolle,  dann  müsse  sich  der  gesamte  Nieder- 
klerus einmütig  dagegen  wehren  und  niemand  dürfe  sich 
davon  absondern. 

Wenn  jemand  von  ihnen  rechtlich  wegen  der  Subsidien 
angegangen  würde,  wollen  sie  gemeinsam  für  ihn  eintreten. 

Die  geschlossene  Einung  soll  (in  publica  forma  durch 
das  Siegel  einer  jeden  Körperschaft  und  der  Landdechanten 
bekräftigt  werden. 

Zur  Verteidigung  seiner  Sache  kann  sich  jeder  wenden 
an  den  Abt  von  Sayn,  den  Dechanten  der  heiligen  Maria  zu 
CJamp,  den  zu  St.  Gioiar  und  den,  rechtskundigen  Ka- 
nonikuls  Qutmann  von  St.  Castor  m  Göhrenz. 

Ferner  erhebt  der  gesamte  Niederklerus  1/i  sub- 
sidium  zur  Bestreitung  der  Unkosten.  Dieses  soll  im 
Gastorstift  in  einer  Kiste  mit  wer  Schlössern  aufbewahrt 
werden,  zu  der  das  Fljorinssiift  in  Gobienz,  das1  Stift  in 
Limburg,  der  Abt  in  Arnstein  und  der  Dechant  in  Engers 
je  einen  Schlüssel  bekommen.  Innerhalb  10  Tagen  soll 
der  gesamte  Niederklerus,  a;uf  der  einen  Seite  des!  Rheins 
ansässig,  dem  Florins,  auf  der  anderen  Seite  dem  Gastor- 
stift in  versiegelten  Briefen  seine  Zustimmung  zu  obigen 
Beschlüssen  einzeln  .mitteilen.  Als  mum  1498,  nach'  der 
bopparder  Fehde,  der  Eb.  mit  Subsidienforderungen  hervor- 
trat, willigte  der  Oberklerus  zw;ar  ein,  der  Niederklerus 
hingegen  weigerte  sjeh  größtenteils.  Der  Eb.  wandte  sich 
an  den  Papst  mit  der  Bitte,  den  Streit  einem  päpstlichen 
Legaten  oder  den  Erzbischöfen  von  Köln  und  Mainz  durch 
ein  Breve  zur  Entscheidung  zu  überweisen,  der  Klerus 
appellierte  seinerseits  an  den  Piapst.  Schließlich  gab  er 
doch  nach  und  willigte  in  ein  Subsidiurn  zu  zwei  Ter- 
minen. „Ist  doch  nit  vur  sich  gegangen"  schließt  im  Buch 
der  Anschläge  der  Bericht  darüber  ab. 

Erst  durch  die  Heranziehung  der  weltlichen  Stände 


—    26  — 


zu  den  Landsteüern  'und  die  Ausbildung  einer  Iandständischen 
Verfassung  seit  dejm  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  wurde  die 
auf  der  Geistlichkeit  ruhende  Last  allmählich  ganz  bedeutend 
erleichtert  Suind  auf  die  Landschaft  abgewälzt. 


2.   Die  w e  1 1 1 ichen  Stände  bis  zum  Jahre  1501. 

Eine  frühzeitige  Entwicklung  einer  starken  landständi- 
schen Verfassung  war  darum  in  Kur -Trier  wenig  begün- 
stigt, weil'  der  Eb.  sich  mit  seinen  Steuerforderungen  ein- 
seitig nur  :an  seinen  Klerus  wandte.  Das  Steuerbewilligungs- 
recht war  die  stärkste  Stütze  aller  Landstände,  das  einzige 
Recht,  das  ihnen  allenthalben  'unbedingt  zustand.  Zwar 
hören  wir  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  zweimal  von  einer 
außerordentlichen  Besteuerung  auch  der  weltlichen  Unter- 
tanen des  Stifts30,  aber  diese  Nachrichten  bleiben  ganz 
vereinzelt. 

Ein  Moment,  an  das  die  landständische  Verfassung  ge- 
meinhin anzuknüpfen  pflegt,  war  der  Rat  und  die  Zustim- 
mung der  Großen  des  Landes,  der  „Mannen",  „Ministerialen, 
Getreuen,  Kleriker  wie  Laien"37. 

Auch  die  trierschen  Erzbischöfe  empfanden  wohl  das 
Bedürfnis  sich  mit  ihren  Verwandten,  Freunden,  Unter- 
tanen zu  beraten.  „Convocatis  siquidem  consanguineis,  fide- 
libus  et  amicis"  hielt  ■Eb.  Arnold  einen  Rat  ab,  und  be- 
lagerte dann  Turon38. 

Eine  Biographie  Heinrichs  von  Vinstingen  sagt  von 
ihm :  item  idem  pater  habuit  modum  laudabilem  et  con- 
suetudinem  memoriae  dignum:  cumque  tractaret  de  statu 
et  negotüs  temporalibus  sue  diocesis,  assumpsit  sibi  viros 

36.  cf.  unten  p.  69. 

37.  v.  Below.  Territorium  und  Stadt  1900  p.  168,  desselben 
Landständische  Verfassung  in  Jülich  u.  Berg  1885  —  91  I.  §  1. 

38.  M.  G.  SS.  24  p.  409,  25. 


—    27  - 


consultissimos  in  rebus  temporaübus  expertos,  prout  immi- 
nentis  negotii  perplexitas  requirebat.  Si  circa  milites  et 
vasallos  agebatur,  asstunpsit  barones  et  nobiles  probatae 
prudentiae,  si  circa  clerum  [et  ecclesiasticam  libertatem  ne- 
gotium vertebatur,  consulit  vires'  litteratissimos,  si  circa  cives 
idem  fecit,  prudentiores  assumens,  quemlibet  venerans  et 
salutans  leto  vultu  et  benigno,  prout  requirebat  status  et 
conditio39.  Aber  diese  unverbindliche  Ratserteilung  hat  sich 
nicht  zu  einem  Zustimmungsrecht  in  gewissen  Angelegen- 
heiten des  Landes  entwickelt,  wie  es  sonstwo  in  mittelalter- 
lichen Urkunden  seinen  Niederschlag  gefunden  hat.  An  der- 
artigen urkundlichen  Belegen,  soweit  sie  in  den  verschie- 
denen Sammlungen  gedruckt  sind,  ist  mir  nur  einer  be- 
kannt geworden,  der  Sühnebrief  zwischen  Balduin  und  der 
Gräfin  Loretta  von  Sponheim  (1328)40. 

Während  der  Wildgraf  eine  Wallfahrt  nach  Jerusalem 
machte,  errichtete  Balduin  auf  dessen  Gebiet  in  Birkenfeld 
eine  Bluirg.  Die  Gräfin  vermochte  dies  nicht  zu  wehren, 
sie  fing  aber  Balduin  ab  als  er  die  Mosel  hinab  fuhr  und 
setzte  ihn  auf  der  Stark  enbiirg  (Trarbach)  gefangen.  Der 
Eb.  mußte  von  dem  Bau  der  Burg  ablassen  und  Lösegeld 
zahlen.  Damit  renovierte  die  Gräfin  eine  Burg,  die  sie 
nun  Frauen  bürg  nannte.  Der  Eb.  verspottete  sie  später, 
daß  sie  einem  so  reichen  Fürsten  nicht  mehr  Geld  abge- 
preßt habe.  Es  war  also  die  Gefangennahme  des  Landes- 
herren vorausgegangen,  ein  Fall,  in  dem  nach  allgemeiner 
Rechtsanschauung  (z.  B.  auch  in  England)  das  Land  zur 
Aufbringung  des  Lösegeldes  verpflichtet  war11.  Für  Trier 
ist  es  in  diesem  Fa;lT  flicht  ausdrücklich  bezeugt,  aber  wegen 


39.  M.  G.  SS.  XXIV  p.  462. 

40.  Günther,  Codex  diplomaticus  Rheno  -  Mosellanus  1822  ff. 
III  1  nr.  155. 

41.  cf.  Landständische  Verfassung  II  5,  III  1,  71.  Aehnliche 
Fälle  in  Brandenburg  u.  Osnabrück  das.  II  n.  18a,  ferner  I  n.  156. 


28  — 


des  plötzlichen  Hervortretens  von  Adel  und  Städten  nicht 
unwahrscheinlich.  Beide  sind  neben  dem  Domkapitel  zur 
Mitbesiegelung  der  Urkunde  hinzugezogen  worden,  ihr  Rat 
und  ihre  Zustimmung  sind  ausdrücklich  darin  vermerkt, 
es  heißt:  und  want  ;wir  idit  gedan  hau  von  willen  rade 
und  gehenknise  unser  capitels  und  unser  gestiechts  man 
und  der  stede  so  haut  die  vorgesprochene  unse  capitel^ 
Kuning  (Johann  v.  Böhmen  als  Graf  von  Luxemburg)  und 
edelmann  ;uns  gestiecht  und  die1  stede  ir  ingesiegel  gehangen 
an  diesen  brief.  Im  folgenden  unterscheidet  die  Urkunde 
zwischen  man  und  edelmann42,  nur  die  letzteren  haben  mit- 
besiegelt. Von  den  Städten  tun  dies  Trier,  Coblenz,  Bop- 
pard und  Montabaur. 

Dieser  Fall  ist  zu  vereinzelt,  als  daß  wir  daraus  auf 
eine  dauernde  Existenz  von'  Landständen  schließen  könnten. 
Ebenso  plötzlich  und  ohne  Nachrichten  über  die  dazwischen 
liegenden  Jahrzehnte  tauchen  sie  dann  in  der  Landeinung 
von  1456  auf.  Zwar  weiß,  Mechtelius  (*  1563,  lebt  noch 
1630),  der  in  drei  Schriften  die  Geschichte  von  Stadt  und 
Stift  Limburg  behandelt  hat13,  zu  berichten,  das  Stift  sei 
1402  zum  ersten  Mal  zu  einem  Landtag  erfordert  worden 
und  habe  danach  ein  Subsidium  zahlen  müssen.  Doch  hat 
sich  Mechtel  wahrscheinlich:  durch  die  Verhältnisse  seiner 
Zeit  beirren  lassen.  Es  handelt  sich  hier  wohl  bloß  um 
eine  rein  geistliche  Subsidienbewillig'üng.  Die  echte  lim- 
burger Chronik,  die  M.  vielfach  benutzt  hat,  erwähnt  keinen 
Landtag. 

Es  hatte  bitterer  Erfahrungen  bedurft,  um  die  Stände 
zur  Landeinung  von  1456  (aufzurütteln.  Die  erste  Hälfte 
des  XV.  Jahrhunderts  zählt  zu  den  traurigsten  Zeiten  des 

42.  Ueber  die  Bedeutung  von  edelman  cf.  v.  Below  Landtags- 
akten von  Jülich-Berg  1895  I  17  n.  12. 

43.  Ueber  Mechtel  cf.  M.  G.  Deutsche  Chroniken  IV  1,  lim- 
burger Chronik,  Einleitung  p.  2  n.  8.  Mechtels  limburger  Chronik 
abgedruckt  in  Hontheims  Prodromus  1046 ff. ;  cf.  das.  n  14. 


—    29  — 


Stifts44.  Nach  der  stürmischen  Regierung!  Ottos  von  Ziegen- 
hain kam  es  im  Jahre  1430  zu1  einer  Doppelwahl;  gegen 
Jacob  von  Sirk  wählte  eine  Minderheit  von  bloßi  zwei  Stim- 
men Ulrich  von  Manderscheid,  und  trotzdem  Jacob  als  der 
rechtmäßig  gewählte  anzusehen  war,  gelang  es  Ulrich  doch, 
mit  Hilfe  seines  einflußreichen  adligen  Anhangs  sich  zu 
behaupten.  Die  Gegner  wandten  sich  an  den  Papst,  der 
aber  keinen  von  beiden  anerkannte,  sondern  den,  Bischof 
von  Speier,  Raban  von  Heimst  ad  t  providierte.  Jacob  v.  Sirk 
fügte  sich  dem  Spruche,  nicht  so  Ulrich,  und  nun  kam  es 
zu  einer  erbitterten  Fehde  zwischen  beiden  Rivalen.  Das 
ganze  Domkapitel  stellte  sich  jetzt  unter  Protest  gegen  die 
Provision  ;aüf  id,ie  Seite  Ullrichs.  Er  verfiel  darauf  in  die 
Exkommunikation.  Städte  und  Burgen  sahen  sich  durch 
die  U ebermacht  Ulrichs  gezwungen,  ihn  als  Landesherren 
anzuerkennen  und  zu  huldigen,  das  päpstliche  Interdikt  über 
das  ganze  Land  war"  die!  Folge.  Erst  der  Tod  Ulrichs  führte 
für  Raban  einen  teuer  erkauften  und  wenig  ehrenvollem 
Frieden  mit  seinem  gefährlichsten  Gegner,  dem  Grafen  von 
Virnenburg,  herbei  (18.  jul'y  1437).  Aeußerlich  war  jetzt 
der  Friede  hergestellt,  aber  das  Stift  befand  sich  in  dies! 
übelsten  Verfassung.  Beide  Gegner  hatten  rücksichtslos 
diarauf  los  gewirtschaftet  |und  namentlich  durch  das  be^ 
liebte  Mittel  der  Zeit,  durch  Verpfändungen,  sich  Geld  zu 
verschaffen  gesucht.  Novem  annos  vexata  et  quasi  ad 
nihilum  redacta  est  insignis  ecclesia  Trevirensis  klagen  die 
gesta.  Der  alte  und  unfähige  Raban  mochte  einsehen,  daß 
er  seines  Besitzes  nicht  mehr  froh  werden  könne  ufrid| 
resignierte  auf  Betreiben  des  Domkapitels  zugunsten  Jacobs 
von  Sirk.  Er  hinterließ  tdem  Stift  eine  Schuldenlast  von 
400  000  gd. 


44.  Ich  folge  hier  der  Darstellung  Lagers:  Raban  v.  Helm- 
stadt und  Ulrich  v.  Manderscheid,  im  historischen  Jahrbuch 
Bd.  XV.  1894. 


—    30  — 


Ruhe  und  Frieden  brauchte  das  Stift  mehr  denn  je45, 
aber  die  Streitigkeiten!  schienen  ,nur  so  in  der  Luft  zu, 
liegen.  Jacob  erklärte  es  für  unmöglich,  mit  den  beschrän- 
kenden Bedingungen,  weil'che  ihm  die  Wahlkapitulation  im 
Jahre  1430  auf  erliegt  hatte,  die  Regierung  zu  übernehmen 
und  wollte  lieber  verzichten.  Der  Domkapitel  verstand 
seine  Gründe  zu  würdigen  rund  legte  ihm  einen  neuen  Eid 
vor,  den  er  1442  (beschwor.  Seit  1445  begegnet  ums  nun 
hiergegen  eine  heftige  Opposition  einzelner  Kapitulare.  Einer 
von  ihnen,  der  bis  dahin  in  Italien  studiert  hatte,  bestand 
auf  die  Gültigkeit  dels  fersten  Eides  und  fand  im  Kapitel 
einigen  Anhang.  Es  kam  ziu|  einem  häßlichen,  teilweise  wenig 
sauberen  Zwiespalt.  Die  erbitterte  Opposition  suchte  nun, 
sehr  zum  Nachteil  der  Interessen  und  der  Unabhängig- 
keit des  Domkapitels  die  Städte  des  Stifts  mit  in  den  Streit 
hineinzuziehen.  Sie  legte  ihnen  nahe,  bei  Jacob  Schritte 
z:ui  tun,  daß  er  vor  ihnen  seine  Sache  untersuchen  und  ent- 
scheiden lasse  (26  apr.  45).  Ein  ähnliches  Schreiben  schickte 
sie  an  Prälaten  und  Kapitel,  die  sich  jedoch  ablehnend  ver- 
hielten. Der  Papst  (Eugen),  der  schon  längst  einen  Span 
mit  dem  Erzbischof  hatte,  exkommunizierte  und  suspendierte 
ihn,  die  Djiözese  verfiel  in  das  Interdikt,  andererseits  stieß 
das  Domkapitel  seine  widerstrebenden  Mitglieder  nach 
regelrechtem  Prozeß  aus  und  erklärte  sie  ihrer  Pfründen 
für  verlustig.  Die  Lage  drohte  wieder  äußerst  verzweifelt 
zu  werden.  Eine  Reihe  Adliger  verschwor  sich  mit  der 
ausgestoßenen  Opposition  zur  Vertreibung  des  Erzbischofs, 
Geistlichkeit  und  weltliche  Stände  waren  beide  in  zwei 
Lager  geteilt.  Der  neue  Papst,  Nicolaus  stellte  sich  nun 
(nov.  49)  entschieden  auf  (die  Seite  Jacobs  und  verhängte 
über  dessen  Gegner  Exkommunikation,  Suspension,  Ent- 
ziehung der  Würden  und  Benefizien  sowie  das  Interdikt 


45.  Zum  """folgenden cf.  Lager,  "  Jacob  v.  Sirk,  Trierisches 
Archiv  II,  III,  V. 


—    31  — 


über  die  Kirchen,  denen  sie  vorständen  (29.  april  1450). 
Diese  waren  damit  nicht  gebändigt.  Nochmals  wenden  sie 
sich  (1451)  in  einem  Schreiben  an  die  vier  bedeutendsten 
Städte  des  Landes  und  klagen  Jacob  an,  das  Erzstift  durch 
Schenkungen  zugunsten  seiner  Verwandten  schwer  geschä- 
digt, die  Rechte,  Statuten  [und  Privilegien  der  Kirche  be- 
einträchtigt zu  haben.  Wohl  scheinen  sich  unter  dem  Ein- 
fluß des  päpstlichen  Einschreitens  die  Wogen  des  Kampfes 
etwas  beruhigt  zu  haben,  aber  zu  Lebzeiten  Jacobs  ist  es 
nicht  zu  einer  endgültigen  Versöhnung  gekommen. 

Dies  die  Vorgänge,  welche  die  Landeinuing  vom  10.  mai 
1456  zur  Voraussetzung  hat. 

Die  Aussichten  in  die  Zukunft  waren  keine  verlockenden, 
ein  neues  Schisma  stand  zu  befürchten,  als  es  im  Jahre 
1456  mit  Jacob  zu  Ende  ging.  Unter  dem  Hader  des  Dom- 
kapitels, hinter  dem  nicht  zuletzt  selbstsüchtige  Interessen 
adliger  Verwandter  steckten,  hatte  das  ganze  Land  bluten 
müssen.  Die  Zwistigkeiten  unter  Jacob,  namentlich  die 
Indiskretionen  der  Opposition  und  ihre  Berufung  auf  die 
Städte  mußten  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  die  Wahl- 
kapitulationen lenken,  die,  ohne  daß  das  Land  irgend  etwas 
dazu,  sagen  konnte,  einschneidende  Bestimmungen  auch 
über  die  weltliche  ;K\2gierung  des  Stifts  enthielten.  Je 
weniger  breitere  Kreise  von  ihrem  Inhalt  wußten,  um  so 
(abenteuerliche  Gerüchte  wurden  darüber  verbreitet. 

Nur  ein  geschlossenes  Zusammenhalten  des  ganzen 
Landes  konnte  ein  neues  Schisma  unschädlich  machen,  eine 
Parteibildung  verhindern  und  einem  unrechtmäßigen  Kan- 
didaten den  Boden  entziehen,  und  wirklich  gelang  es  jetzt 
den  Kräften,  deren  Widerstreit  allein  so  viel  Unheil  mög- 
lich gemacht  hatte,  sich  zusammenzuschließen.  Am  10.  mai, 
noch  zu  Lebzeiten  des  schwer  kranken  Jacob,  vereinigten 
sich  die  weltlichen  Stände  des  Stifts,  Grafen,  Herren  und 
Ritterschaft,  sowie  11  Städte  mit  den  zugehörigen  Dörfern 
und  Pflegen46. 


—    32  - 


Nachträglich,  am  29.  öctober  1456  trat  noch  Pfalzgraf 
Ludwig,  Graf  zu  Veldenz  bei,  ebenso,  am  17.  july,  Burg- 
leute, Richter,  Schöffen  ünd  Gemeinde  von  Kilburg47.  Doch 
handein  die  Einungsver  wandten  nicht  für  sich  als  Einzel- 
personen, sondern  schließen  in  die  Wirkung  ihrer  Einung  das 
ganze  Land  ein  „alle  manne,  'ursdersaßen,  getreue  und  ange- 
hörigeu  unsers  stifts  von  Trier  unki  jeklichen  besonder, 
beide  geistlichen  und  werentliche,  edelen  und  unedelen"4S. 
Abgefaßt  in  der  damals  üblichen  Form  der  Einungen  mit 
einer  Fülle  treuherziger  Redewendungen,  bezieht  sich  die 
Urkunde  ausdrücklich  auf  die  vorhergegangenen  Mißstände 
'und  den  aktuellen  Streit  im  Domkapitel.  Sie  seien  ge- 
zwungen gewesen,  so  setzen  die  Stände  auseinander,  einen 
zum  Herren  zu  empfangen  und  ,in  Städte  und  Schlösser 
(zur  Huldigung)  einzulassen,  der  von  der  Majorität  des 
Domkapitels  gewählt,  hinterdrein  doch  vom  heiligen  Stuhl 
zu  Rom,  dem  Konzil  zu  Basel  und  dem  römischen  Kaiser 
mit  rechtlichem  Urteil  entsetzt  worden  sei.  Dadurch  sei 
das  ganze  Land  gedrungen  worden,  jenen  ungehorsam  zu 
werden.  Schwere  Parteiungen  hätten  dem  ganzen  Stift  un- 
ersetzbaren Schaden  gebracht.  Sie  wollten  deshalb  nach 
dem  Tode  Eb.  Jacobs  keinen  neuen  Herren  mehr  auf- 
nehmen, sie  hätten  sich  denn  vorher  darüber  gemeinlich 
besprochen  umd  volle  Gewißheit,  daß  er  mit  Recht  ihr 
Herr  sei. 

Sie  verlangen  weiter,  daß  der  neue  Eb.  ihnen  gelobe 


46.  Die  Einung  in  drei  Ausfertigungen  mit  56,  36,  21  Siegeln 
im  St.  A.  I.  A  2223—26. 

47.  Koblenzer  Stadtarchiv  (im  St.  A.)  I  308,  307.  Abgedruckt 
bei  Hontheim  II  423;  Scotti  Sammlung  der  Gesetze  u.  Verordnun- 
gen, welche  in  dem  vormaligen  Kurfürstentum  Trier  etc.  ergangen 
sind  1832.     p.  147. 

48.  "  Ueber  .die  Bedeutung  der  landständischen  Einungen,  ihrem 
Verhältnis  zum  Lande  u.  zur  „gewillkürten  Genossenschaft"  cf. 
Landständische  Verfassung  II  2.  62fr. 


—    33  — 


und  schwöre,  sie  bei  alter  löblicher  und  hergebrachter  Frei- 
heit und  Gewohnheit  zu  lassen,  und  daß  er  ihnen  hierüber 
einen  besonderen  Revers  .ausstelle,  dessen  genauer  Wort- 
laut in  der  Einung  festgelegt  ist.  Wenn  d-ann  gegen  den 
Wortlaut  der  beschworenen  Freiheit  einer  von  ihnen  be- 
drängt oder  mit  irgendeiner  Neuerung  darin  gekränkt  werde, 
wollen  sie  sich  gegenseitig  mit  Leib  und  Blut  beistehen. 
Damit  endlich  ihr  Herr  in  der  Lage  sei,  das  Erzstift  nach 
Notdurft  und  zum  Besten  zu  verwialten,  wollen  sie  vor 
der  Huldigung  Gewißheit  haben,  daß  das  Domkapitel  den 
Eb.  nicht  gegen  den  Nutzen,  Heil  und  Wohlfahrt  des  Stifts 
in  der  Wahlkapitulation  gebunden  habe.  Die  Beziehungen 
auf  die  jüngstvergangenen  Ereignisse  sind  ohne  weiteres! 
klar,  aber  davon  abgesehen  enthält  die  Einung  nichts  be- 
sonderes, was  nicht  in  den  Nachbarstiften  die  kräftiger  ent- 
wickelten Landstände  bereits  besessen  und  geübt  hätten. 
In  Mainz  ritt  bis  zur  Auflösung  der  landständischen  Ver- 
fassung im  Jahre  1525  der  neugewählte  Kurfürst  mit  großem 
Gefolge  zu  den  versammelten  Ständen  nach  Eltville.  Er 
wurde  dort  gefragt,  ob  er  käme  als  ein  gekonfirmierter  Herr. 
Dann  verlas  man  das  Wahlprotokoll  und  die  Konfirmations- 
bulle und  der  Eb.  beschwor,  mit  der  Hand  auf  einem  ent- 
sprechenden besiegelten  Revers,  Landrecht,  Privilegien, 
Wilküren  und  alt-löblich eS'Herkommen  zu  behalten,  erst  dann 
erfolgte  die  Huldigung49.  Es  fehlt  also  nichts'  von  dem,  was 
auch  die  trierscheii  Stände  in  der  'Einung  verlangen.  Ungleich 
tiefgreifender  wie  die  Triersche  ist  weiter  die  Kölner  Erb- 
landesvereinigung,  die  1463  zum  ersten  mal  geschlossen, 
von  da  an  regelmäßig  den  Wahlkapitulationen  angehängt 
wurde50.    Es  begegnen  bei  ihr  unter  den  Grafen  teilweise 


49.  cf.  Bodmann  p.  1 8 ff.  p.  398. 

50.  Lacomblet,  Urkundenbuch  für  die  Geschichte  des  Nieder- 
rheins i84of.  IV  nr.  325  Wolf,  a.a.O.;  Territorium  u.  Stadt  p.  185 
n.  2,  3. 


—    34  — 


dieselben  Namen  wie  auch  in  Kur-Trier.  Hervorgerufen 
wurde  sie  durch  die  starke  Verschuldung  des  Stifts,  die 
Folge  einer  unglücklichen  äußeren  Politik.  Die  ungleich 
höhere  Bedeutung  der  Kölner  Stände,  ihr  starker  Einfluß 
auf  Verwaltung  und  Regierung,  äußert  sich  darin,  daß  ihre 
Einung  sich  nicht  mit  so  allgemeinen  Forderungen  begnügt 
wie  die  Triersche.  Auch  sie  enthält  den.LArtikel,  daß  allemal, 
wenn  jemannd  innerhalb  oder  außerhalb  des  Kapitels  dem 
von  der  Mehrzahl  regelmäßig  gewählten  Herrn  Zwietracht 
machen  wolle,  die  Stände  ihm  Gehorsam  tun  und  ihm 
helfen  sollten,  sein  Stift  zu  behalten  (Art*  12).  Aber  darüber 
hinaus  bringt  sie  eine  Reihe  von  ganz  bestimmten  Gesichts- 
punkten, Reform  vonn  Gericht  und  Verwaltung,  Kurfürst- 
licher Rat,  Kriegserklärung,  Verpfändung,  Geldaufnahme, 
eigenes  ständisches  Versammlungsrecht.  Alle  früheren  Ver- 
pflichtungen der  Erzbischöfe  gelten  ohne  weiteres  mitein- 
begriffen. Weltliche  Stände  und  Kapitel  handeln  dabei  so 
sehr  im  Einvernehmen,  daß  alle  in  dieser  oder  in  späteren 
Kapitulationen  enthaltenen  Versprechungen  auch  für  die 
Stände  Geltung  haben  sollen.  Die  Einung  ist  zusammen  mit 
der  Kapitulation  zustande  gekommen  und  bei  den  folgenden 
Wahlen  jedesmal  mit  erneuert  worden.  Der  Grund  für 
dieses  im  Vergleich  zu  den  Trierschen  Verhältnissen  auf- 
fallende Einverständnis  zwischen  Kapital  und  Ständen  ist 
in  den  finanziellen  Verhältnissen  zu  erblicken.  Das  Dom- 
kapitel, selber  Landstand,  war  bis  zur  Zahlungsunfähigkeit 
mit  seinen  Einkünften  und  Besitzungen  für  den  Kurfürsten 
eingetreten.  Es  konnte  ihm  nur  vorteilhaft  sein,  daß  die 
Schranken,  'welche  durch  seine  Kapitulationen  dem  Erzbischof 
auferlegt  wurden,  noch  durch  ständische  gesichert  und  ver- 
stärkt würden,  wie  es  andererseits  aus  eigenem  Interesse 
erzbischöflichen  Steuerforderungen  immer  an  erster  Stelle 
zustimmte51.  Aber  weder  war  der  Trierische  Kurfürst  in  der 


Si.  cf.  Wolf. 


-    35  — 


Weise  wie  der  Mainzer  von  der  Steuerbewilligung  seiner 
Stände  abhängig52,  da  er  sich  ja  auf  das  subsidium  seiner 
Geistlichen  beschränkte,  noch  fühlte  vollends  das  Dom- 
kapitel wie  das  Kölner  ein  Bedürfnis,  seine  Bestrebungen 
mit  denen  der  Stände  zu  verbinden.  Erzbischof  und  Kapitel 
waren  sich  eins  im  Widerstand  gegen  die  unge rufen  empor- 
strebende Macht.  Doch  blieb  die  Einung  alsbald  nicht 
ohne  heilsame  Wirkung.  Das,  Domkapitel  ging  mit  äußerster 
Sorgfalt  vor,  um  das  wieder  drohende  Schisma  zu  verhüten53. 
Als  nun  trotz  aller  Vorkehrungen  neben  Johann  von  Baden 
auch  Diether  v.  Isenburg  eine  Reihe  von  Stimmen  erhielt, 
übertrug  jener  bis  zur  päpstlichen  Bestätigung  des  Erz- 
bischofs  die  weltliche  Verwaltung  des  Stifts  seinem  Bruder 
Karl  v.  Baden.  Am  22.  März  1457  wurden  die  Stände  in 
Koblenz  versammelt  und  ihnen  die  päpstliche  Bestätigungs- 
bulle verlesen.  Adel  wie  Städte  weigerten  sich,  den  Huldi- 
gungseid zu  leisten,  da  sie  durch  die  Union  gebunden  seien. 
In  einer  neuen  Versammlung  am  26.  April (suchte  der  Unter- 
händler des  Domkapitels  die  Bedenken  der  Stände  über  die 
Kapitulation  zu  zerstreuen  und  wies  ungeheuerliche  Gerüchte, 
die  sich  daran  geknüpft  hatten,  zurück.  Dann  verlas  er 
folgende  Erklärung  des  Erzbischofs:  wir  sagen  by  unsern 
fürstlichen  truwen,  das  wir  mit  gebonden  ensynt  dem  capitel 


52.  Jn  Mainz  wurden  die  weltlichen  Stände  schon  frühzeitig  zu 
Landsteuern  herangezogen;  cf.  Bodmann  p.  784  ao  1383:  in  Ulis 
diebus  autumnalibus  dominas  Adolfus  archiep.  (1379 — 90)  exegit 
subsidium  sive  contributionem  ab  incolis  Rinkau,  qui  viriliter  se 
opposuerunt,  nullo  modo  quicquam  dare  volentes,  multas  causas 
evadendi  quesiverunt,  etiam  multa  opprobria  et  convicia  intulerunt 
minis  et  diversis  consiliis  exquisitis,  qualiter  resistere  possent,  in 
quibus  nihil  profecerunt,  sed  tandem  secundum  omnem  voluntatem 
ipsius  dmni.  archiep.  oportuit  ipsos  solvere  magnas  pecuniarum 
summas,  quamvis  invite."  Bei  Bodmann  a.  a.  O.  auch  noch  andere 
Nachweise  mehr. 

53.  Zum  folgenden:  Lager,  Joh.  II. 


unsers  doems  noch  emant  anders,  uch  von  uwer  eynunge  zu 
dringen  ader  einiche  sache  zu  hanthaben,  die  wedder  unsers 
stifts  und  siner  undersaissen  heil  und  wailfaren  sy.  Der  Kur- 
fürst wiederholte  selbst  diese  Erklärung  mündlich  und  be- 
kräftigte sie  mit  seinem  Fürstenwort.  Die  Stände  gaben 
sich  schließlich  damit  unter  Vorbehalt  ihrer  Einung  zufrieden, 
doch  weigerte  sich  der  Erzbischof,  diese  anzuerkennen; 
Päpstliche  Bullen  und  kaiserliche  Mandate  geboten  den  An- 
hängern derselben,  von  ihr  abzustehen54.  In  der  langen 
Regierungszeit  Johanns  schlief  der  Streit  darüber  ein.  Doch 
hatte  man  darum  die  Union  nicht  vergessen. 

Am  26.  Dezember  1499  wurde  von  dem  „mehrer  teil" 
des  Domkapitels  Johanns  Neffe,  Jacob  von  Baden,  zum 
Koadjutor  gewählt.  Auch  diesmal  aber  wollte  es  wieder  zu 
keiner  Einstimmigkeit  kommen  und  wieder  wandte  sich  die 
Opposition  in  einem  umfangreichen  Rundschreiben  an  die 
geistlichen  und  weltlichen  Stände  des  Stifts  (6.  Juni  1500)55. 
Damit  die  Gerüchte  über  die  Wahlstreitigkeiten  ihrem 
guten  Vornehmen  nicht  zum  Unglimpf  ermessen  würden, 
beginnen  sie  mit  einer  eingehenden  Darstellung  der  nach 
ihrer  Ansicht  unrechtmäßigen  Koadjutorwahl  und  erbieten 
sich  dann  zu  Recht  vor  unparteiischen  Grafen,  Herren, 
Rittern  oder  den  Ständen  des  Stifts.  Auch  bitten  sie  diese, 
sie  möchten  auf  den  Erzbischof  einwirken,  daß  er  von  seinem 
Vorhaben  abstehe.  Sie  selbst  erreichten  damit  zwar  nichts, 
aber  es  blieb  nicht  ohne  Wirkung,  daß  die  allgemeine  Auf- 
merksamkeit so  wiederum  auf  die  Wahlstreitigkeiten  ge- 
lenkt wurde.  Als  die  Stände  im  März  des  Jahres  1501  zur 
Anerkennung  der  Wahl  zu  Zell  im  Hamm  versammelt 
wurden,  antworteten  sie  darauf  am  5.  März  mit  der  Er- 


54.  Näheres  bei  Lager. 

55.  Abgedruckt  in  Strambergs  Rheinischem  Antiquarius  II  5 
1856  p.  775,  1856  Or.  St.  A.  Personalien  der  Eb.  22,  BL 
39—42. 


_    37  — 


neuerung  ihrer  Einung  von  145656.  Sie  wurde  mit  einigen 
unwesentlichen  Abkürzungen  wörtlich  übernommen.  Doch 
schloß  sich  daran  ein  längerer  zusatz,  der  davon  zeugt,  daß 
das  Selbstbewußtsein  der  Stände  mittlerweile  eine  Stärkung 
erfahren  hatte.  Es  war  darin  eine  eigene  Gerichtsbarkeit 
vorgesehen  für  alle  Fälle,  welche  die  Einung  angingen  und 
in  denen  jemand  wegen  ihr  Gewalt  erleide.  Zwei  Grafen  und 
Ritter  werden  zu  geordneten  Hauptleuten  ernannt,  im  oberen 
Stift  Junker  Salentin  v.  Isenburg  und  Friedrich!  Zant  (Ritter) 
dazu  zwei  aus  dem  Rat  zu  Trier,  desgleichen  im  Niederstift 
der  Herr  v.  Sayn,  Jörg  v.  d.  Leven  und  zwei  Koblenzer 
Stadträte..  An  diese  soll  sich  jeder  wenden,'  der  sich  irgend- 
wie in  seiner  Freiheit  bedrängt  fühlt,  nach  Bedarf  in  Trier 
oder  Koblenz.  Wenn  ein  Kollegium  über  den  Fall  nicht  zu 
entscheiden  vermag,  soll  es  das  andere  mit  hinzuziehen.  Im 
Notfall  können  sie  sofort  einen  Landtag  berufen,  zu  dem 
die  beiden  Stände  zi\  erscheinen  schuldig  sind.  Zudem  wolle 
man  regelmäßig  alle  zwei  Jahre  Mitsommers,  den  anderen 
Tag  nach  Johann  Baptista  (26.  juny)  eine  gemeine  Ver- 
sammlung der  beiden  (weltlichen)  Stände  zu  Cochem, 
morgens  um  7  Uhr  beginnend,  abhalten. 

Eine  ständische  Gerichtsbarkeit  ist  schon  früher  ge- 
legentlich erwähnt  worden.  Wir  berührten  oben,  daß  >.  ;e 
Opposition  im  Domkapitel  den  Ständen  ihre  Sache  zur  Ei  S 
scheidung  anheimgeben  wollte.  In  dem  Streite  des  Kur 
fürsten  mit  der  Stadt  Boppard  sollte  diese  ihre  alten,  an- 
geblich schon  von  Friedrich  III.  erlangten  und  ihre  jüngsten 
kaiserlichen  Privilegien  den  drei  Ständen  des  Stifts  zur 
Prüfung  und  Beurteilung  vorlegen.   Die  Stadt  weigerte  sich 


56.  Erhalten  in  zwei  Coblenzer  Transsumpten  vom  23.  febr. 
1502  St.  A.  I  A.  2878  u.  79.  Tn  einem  Transfix  treten  Schultheiß, 
Schöffen,  Gemeinde  u.  Pflege  von  Saarburg  nachträglich  bei,  weiter 
die  Gemeinde  von  Kaisersesch. 


—    35  — 


freilich,  dies  zu  tun57.  Der  Gedanke  einer  ständischen  Ge- 
richtsbarkeit war  also  damals  nicht  neu,  und  man  wollte 
sie  jetzt  regelmäßig  in  allen  Fällen  einführen,  die  den 
dehnbaren  Begriff  der  Privilegien  und  Freiheiten  betrafen. 
Aber  die  Stände  waren  überall  und  zu  allen  Zeiten  eben 
so  rasch  im  Pläneschmieden  wie  langsam  und  säumig  in 
ihrer  Durchführung.  Auch  in  Trier  ist  von  einer  Ver- 
wirklichung dieses  hochfliegenden  Projekts  nichts  bekannt 
geworden.  Doch  war  die  Haltung  von  Kurfürst  und 
Kapitel  diesmal  auffallend  entgegenkommender  als  im  Jahre 
1456.  Das  große  Privileg,  welches  zwei  Tage  später,  am 
8.  März  den  drei  Trierschen  Ständen  erteilt  wurde,  erfüllt, 
soweit  dies  am  Landesherren  lag,  die  Forderungen  der 
Einung.  Eb.  Johann  hat  es  mit  Rat  und  Bewilligung  seines 
Koadjutors  und  des  „merer  teils"  seines  Kapitels  den  geist- 
und  weltlichen  Ständen,  den  „prelaten,  capiteln,  clösteren 
und  kirchen,  unser  geistlichkeit,  auch  graifen,  herren  und 
ritterschaft,  und  steten,  plegen  und  landschaften"  seines 
Stifts  zu  Trier  zu  Friede,  Ruhe,  Nutz  und  Gutem  erteilt58. 
Die  Zusammensetzung  des  Landtags  tritt  uns  hier  nebenbei 
bemerkt  zum  erstenmal  deutlicher  entgegen.  Der  Eb.  ver- 
pflichtet sich  in  dem  Privileg,  alle  zwei  Jahre  Mitsommers 
eine  Versammlung  seiner  Stände  zu  Zell  im  Hamm  abzu- 
halten, wobei  er  und  sein  Kapitel  zugegen  sein  wollen, 
und  zwar  soll  diese  Versammlung  „sonder  einiche  beschrei- 
bung  und  erforderung"  stattfinden.  Damit  darauf  des  Stifts 
Notsachen  zum  Besten  gehandelt  werden.  Wenn  der  Kur- 
fürst außerdem  zu  einer  anderen  Zeit  einen  Landtag  an 
einen  beliebigen  Ort  ausschreiben  wolle,  so  sollen  die  Stände 
pflichtig  sein,  darauf  zu  erscheinen  wie  von  alters.  Jacob 


57.  Das  ausführliche  Schreiben  Eb.  Johanns  an  den  schwäbi- 
schen Bund  vom  7.  juny  1497.    Hontheim  II  501. 

58.  Koblenzer  Transsumpt  des  Originals  vom  19.  febr.  1502 
im  St.  A.  1  A.  2880. 


—    39  - 


von  Baden  verspricht,  nachdem  der  merer  teil  des  Kapitels 
und  die  Landstände59  ihn  zum  Koadhuter  angenommen 
und  den  darüber  ergangenen  päpstlichen  Bullen  und 
Briefen  Gehorsam  erzeigt  haben,  die  Freiheiten  und  Pri- 
vilegien des  Stifts  zu  halten,  auch  bei  der  Huldigung  in 
Städten  und  Pflegen,  wie  sie  gewöhnlich  im  Stift  erfolgt,- 
alles  nach  bestem  Verstand  und  Vermögen  zu  erfüllen. 
Mehr  verlangte  auch  die  Landeinung  nicht,  nur  geschah 
die  Bestätigung  der  Privilegien  nicht  in  der  demütigenden 
Form,  welche  in  ihr  von  Anbeginn  törichterweise  vorgesehen 
war60,  und  die  Wahlkapitulation  wird  nicht  mehr  erwähnt. 

Darüber  hinaus  macht  der  Eb.  aber  noch  eine  Reihe 
von  Zugeständnissen.  Er  will  seinen  kurfürstlichen  Rat  nur 
noch  aus  des  Stifts  Ständen  und  Untersassen  ergänzen  (Indi- 
genat) 

auf  die  Gerichte,  weltliche  und  geistliche,  fleißig  sehen 
lassen61, 

mit  Pfalz  und  Mainz,  womöglich  auch  Köln  eine  Münz- 
einung  abschließen62, 

bei  kaiserlicher  Majestät  vorstellig  werden,  daß  er  die 
Reichssteuer,  welche  jetzt  im  Stift  aufgerichtet  ist,  abstelle. 


59.  cf.  das  falsch  datierte  (1493  statt  1503)  Schreiben  des  Eb. 
an  Amtleute,  Keiner  Gemeinden  etc.,  dem  Markgrafen  Gehorsam 
zu  leisten,  den  ihm  der  Papst  zum  Successor  gegeben,  „dafür  dann 
die  Versammlung  unsers  stifts  Trier  ständen  syne  liebe  angenommen 
hat.    Hontheim  II  491. 

69.  Wir  N.  N.  v.  gottes  gnaden  eb.  v.  Tr.  seindt  dan  der  al- 
mechtig  gott  durch  seine  unbegreifliche  gute  und  mildigkeit  sine 
stifte  von  Trier  mit  unser  persone,  wiewol  wir  des  unwürdig  sein, 
versehen  hat. 

61  cf.  das  Schreiben  an  die  beiden  OrTizialate  mit  Berufung 
auf  die  Landstände,  in  denen  die  geistliche  Gerichtsbarkeit  be- 
schränkt wird.  12.  Mai  1501.  Goerz  Regesten  der  Erzbischöfe  zu 
Trier  1859  p.  318. 

62.  Am  8.  August  1502   mit  Pfalz  u.  Mainz   „ut  mannigfelt'ige 


—    40  — 


Er  will  endlich  die  jetzt  bewilligte  Steuer  nicht  wieder 
heischen,  eine  typische  Formel  für  alle  derartigen  Privilegien, 
und  mit  Rat  und  Hilfe  seiner  Stände  dafür  sorgen,  daß 
alle  Bürgen  und  Schuldner  des  Stifts  befriedigt,  die  ver- 
storbenen Bürgen  ersetzt  werden.  Damit  berühren  wir  die 
wesentliche  Vorbedingung  des  Privilegs.  Wie  kam  es,  daß 
der  Eb.  der  ersten  Landeinung  erfolgreich  zu  widerstehen 
vermochte,  während  er  jetzt  so  auffallend  weit  nachgab? 
Gewiß  war  ihm  viel  daran  gelegen,  seinem  Neffen  die  An- 
erkennung als  Koadjutor  zu  verschaffen,  zumal  wieder  wie 
bei  seiner  eigenen  Wahl  eine  Opposition  im  Kapitel  sich 
regte.  Aber  1456  hat  ihn  das  nicht  gehindert,  der  Einung 
seine  Anerkennung  zu  versagen  und  ihre  Aufhebung  durch 
Papst  und  Kaiser  zu  erwirken.  Die  Einleitung  des  Pri- 
vilegs gibt  selbst  die  Antwort  auf  jene  Frage :  weil  des 
Stifts  Stände  sich  gewilligt  haben,  ihm  ein  hülflich  und 
stattlich  schank  zu  tun,  damit  er  seiner  und  seines  Stifts 
merklich  obliegender  Beschwernis  etliches  maßen  erledigt 
werden  möchte,  um  solcher  ihrer  Guttat  willen  hat  der 
Kurfürst  ihnen  diese  Zugeständnisse  gemacht. 

Die  finanzielle  Lage  des  Stifts  war  von  Anbeginn  seiner 
Regierung  eine  traurige.  Die  Baulust  der  Kurfürsten,  seine 
alchemistischen  Neigungen,  vereinzelte  Ereignisse  wie  seine 
Beteiligung  an  der  neußer  Fehde,  der  Empfang  Karls  des 
Kühnen  und  Friedrichs  III.  in  Trier  1473,  sein  Streit  mit 
dem  Pfalzgrafen  um  Schöneck  und  Beilstein,  bei  dem  der 
Eb.  sogar  Silber  und  Kleinodien  versetzte63,  die  Bopparder 
Fehde  1497  trugen  nicht  dazu  bei,  die  Geldverhältnisse  gün- 
stiger zu  gestalten.    Die  Renten  auf  Aemter  und  Zölle 

u.  fleyßige  ansuchen  unser  u.  unsers  stifts  Untertanen,  geistlichen 
u.  werentlichen,  uf  gehaltene  Versammlungen  u.  lanttagen  zu 
furderunge  gemeinen  nutzens"  abgeschlossen.  Scotti  I  nr.  41 
p.  205. 

63.  cf.  die  Denkschrift  über  die  Ausgaben  Johanns  an  das 
Domkapitel  von  1488.    St.  A.  t.  1. 


—  4! 


waren  von  altersher  größtenteils  verschrieben,  so  daß  nur 
wenig  über  10  000  gd.  jährlich  einkam.  Eine  Reihe  von 
Schuldnern  hatten  zusammen  12  000  gd.  gekündigt,  die 
Städte,  die  sich  vielfach  verbürgt  hatten,  drängten  auf  Ein- 
lösung der  Schulden64,  die  Konfirmation  Jacobs  kostete 
wiederum  14  506  Kammergoldgulden  gleich  etwa  20  300 
rheinische  gd.  wozu  noch  etwa  1 — 2000  gd.  für  Gesandt- 
schaftskosten kamen65.  Zu  dem  begann  sich  der  Klerus 
seit  den  achtziger  Jahren,  vom  Domkapitel  unterstützt,  ge- 
gen die  beständigen  Subsidenforderungen  der  Eb.  zu  sperren. 
Der  einzige  Ausweg  aus  allen  diesen  Schwierigkeiten  konnte 
nur  darin  liegen,  daß  der  Eb.  sich  eine  neue  Steuerquelle 
eröffnete,  daß  er  auch  die  weltlichen  Stände  zu  Land- 
steuern heranzog,  und  aus  dieser  Zeit  sind  denn  auch  die 
ersten  Nachrichten  über  die  Berufung  eines  Landtages  be- 
kannt66. Bei  den  ersten  Steuerforderungen  scheint  sich  der 
Eb.  auf  Städte  und  Landschaft  beschränkt  und  den  Adel 
ganz  hinweggelassen  zu  haben67.  Neben  den  gesonderten 
Verhandlungen  mit  der  Geistlichkeit  treten  wenigstens  in 
den  Protokollen  des  Domkapitels  nur  Städte  und  Land- 
schaft hervoi,  so  wenn  der  Kurfürst  bei  der  Einlösung 
des  Schlosses  Schöneck  in  der  Eifel  sein  Domkapitel  bitten 
läßt:68  antreffend  die  subsidia,  daß  myne  herren  vom  doem 
sy  gern  daran  syn  willen  und  der  priesterschaft  vorhalten, 
daß  sie  m.  gn.  h.  etliche  subsidia  geben  .  .  .  auch  wart 
daselbst  abgeredt,  myn  gn.  h.  wollte  von  der  lantschaft 


64.  Protokollbücher  des  Dk.  1488. 

65.  Sauerland  p.  97. 

66.  cf.  Reg.  Der  Eb.  10.  july  i486  schreibt  einen  Landtag 
nach  Cochem  zum  31.  july  aus.  —  1492,  6  nov.,  Ausschreiben  zum 
1.  dec.  nach  Zell  im  Hamm  —  1494,  2.  oct.  zum  20.  october  nach 
Cochem. 

67.  Ueber  eine  ähnliche  Erscheinung  in  Jülich-Berg,  Ldst.  Ver- 
fassung II  p.  60. 

68.  St.  A.  Protokollbücher  der  Dk   I  B.  67  p.  143. 


—    42  — 


sture  haben  zu  der  obgenannten  losunge  Schoneck,  daß 
myn  herrn  vom  doem  zweigen  darzu  deputeren  mit  sampt 
uns  gn.  herren  freundt  mit  der  lantschaft  zu  werben,  oder 
im  Jahre  1488:  demnach  wir  uch  freundlich  bitten  und 
empfehlen,  mitsampt  dem  bemelten  Gerhart  Ringraven  (ein 
Kapitular)  die  stette  und  lantschaft  under  synen  gnaden 
zu  solichen  handel  hulf  und  bistand  zu  tun  ufs  best  und 
freundlichst  helfen  raten  und  underrichten. 

Die  Erhebung  und  Verwahrung  der  landschaftlichen 
Steuern  lag  in  der  ersten  Zeit  noch  in  geistlichen  Händen 
„item  sullent  jene,  die  da  die  subsidia  ufhebent,  auch  die 
lantsture  ufheben,  und  weiter:  uf  daß  die  lantschaft  un- 
derricht  werde  und  williger  were,  solche  sture  zu  geben, 
wart  auch  da  abgeredt,  daß  soliche  gelt  von  der  subsidien 
und  lantsture  nit  ufgehoben  werde  sunder  mit  wissen  zweier 
uß  dem  capitel  und  zweier  uß  der  pfaffheit  und  zweier 
von  myns  gn.  herren  wegen,  hinder  welche  soliche  gelt 
gelacht  sulte  werden  und  mit  wißen  ußgegeben  zur  losunge 
des  sloß  Schoneck  und  bezalunge  des  gelehnten  gelts  und 
des  stifts  nutz69  (1479).  Vertreter  der  Landschaft  werden 
dabei  nicht  erwähnt. 

Auch  dies  deutet  darauf  hin,  daß  sich  eine  Besteuerung 
der  Landschaft  eben  jetzt  erst  im  Anschluß  an  die  geist- 
lichen Subsidien  zu  entwickeln  begann,  aber  andererseits 
fanden  noch  am  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  gesonderte 
Verhandlungen  mit  dem  Klerus,  dieser  wieder  getrennt 
nach  Ober-  und  Niederstift  statt.  Erst  seit  dem  Jahre  1501 
sind  auf  allen  bekannten  Landtagen  stets  die  drei  Stände 
insgesamt  und  der  Klerus  des  ganzen  Erzstifts  vertreten. 
Dieses  Jahr  bedeutet  zugleich  den  Höhepunkt  in  der  Ge- 
schichte der  trierschen  Landstände.  Beide  Seiten,  Landes- 
herr und  Stände,  machen  dabei  Zugeständnisse  wie  nie 


69.  Piotokollbücher  I  B.  67  p.  143.  Die  Einlösung  ist  am 
27.  juny  1480  beurkundet.  Reg.  der  Eb. 


zuvor.  Die  finanzielle  Notlage  des  Stifts  vereint  mit  der 
Sorge  um  die  Anerkennung  seines  Koadjutors  ringen  dem 
Eb.  das  Privileg  ab,  die  Stände  bewilligen,  und  zwar  dies- 
mal nicht  bloß  Geistlichkeit  und  Landschaft,  sondern  auch 
die  Ritterschaft  für  ihre  Hintersassen,  eine  Landsteuer70. 
Die  Artikel  des  Privilegs  verraten,  daß  der  Landtag  nicht, 
wie  in  späteren  Jahren,  sich  fast  ausschließlich  nur  mit  der 
Steuerbewilligung  befaßt,  sondern  auch  in  Fragen  der 
inneren  Politik  sich  betätigt  hat. 

Für  die  nächsten  Jahrzehnte  versiegen  die  Quellen  für 
die  Geschichte  der  Trierischen  Landstände  wieder  fast  voll- 
ständig, erst  durch  das  Aufkommen  der  Reichssteuern  be- 
ginnt seit  1542  eine  von  da  an  ziemlich  vollständig  erhaltene 
Reihe  von  Landtagsabschieden  und  einigen  anderen  Notizen, 
aus  denen  die  Organisation  der  Stände  näher  erkennbar  ist. 


70.  cf.  hierzu  das  Buch  der  Anschläge  t.  1.  10  und  das  Per- 
petuale  Eb.  Johanns  II.  v.  Baden  A.  I,  1  nr.  17. 


II.  Die  Organisation  der  trierischen  Landstände  bis  zum  Be- 
ginn des  Prozesses  mit  der  Ritterschaft. 

1.  Das  Domkapitel. 

Eine  eingehendere  Schilderung  der  Stellung  des  Dom- 
kapitels innerhalb  der  Landesverfassung  kann  ich  um  so 
eher  unterlassen,  als  es  nicht  selbst  zu  den  Landständen 
zählte,  außerdem  die  wichtigste  Quelle  für  seine  Tätigkeit, 
die  Sitzungsprotokolle,  für  die  in  Betracht  kommende  Zeit 
nicht  mehr  vorhanden  sind  und  über  die  Wahlkapitula- 
tionen von  Anbeginn  bis  zur  französischen  Revolution  eine 
eigene  Arbeit  im  Erscheinen  begriffen  ist. 

Eine  Beteiligung  des  Domkapitels  am  Landtage  als 
Mitglied  des  geistlichen  Standes  ist  nur  einmal  ausnahms- 
weise erfolgt  bei  der  Bewilligung  des  gemeinen  Pfennigs 
von  1542  und  1544.  Damals  haben  die  Gesandten  des 
Domkapitels  mit  den  übrigen  Vertretern  in  die  Türkensteuer 
gewilligt  und  dieses  ist  dementsprechend  veranschlagt  wor- 
den. Sonst  war  es  von  allen  Steuern  frei1.  Bei  den  Land- 
tagen war  es  darum  nur  in  seiner  Eigenschaft  als 
Erblandesherr  vertreten.  Bei  Eröffnung  des  Landtages  stand 
der  Eb.  mit  seinem  Kapitel  und  seinen  Räten  auf  der  einen 
Seite  und  ließ  die  Proposition  verlesen,  auf  der  anderen 
standen  Ritterschaft,  Klerisei,  Städte  und  Pflegen2.  Hierauf 


i.  t.  1.  V,  Abschied  von  154?,  cf.  Reg.  der  Eb.  1421  lo.july. 
Der  Eb.  reversiert  sich  seinem  Dk.,  daß  die  ihm  von  letzterem  be- 
willigte Steuer  zur  Hilfe  gegen  die  böhmischen  Ketzer  kein  Recht 
auf  künftige  Steuererhebung  vom  Dk.  gebe.  —  Anschlag  der  Geist- 
lichkeit von  1544,  Buch  der  Anschläge  t.  1.  10. 


—    45  — 


leiteten  Domkapitel  und  Räte  gemeinsam  die  Verhand- 
lungen der  Kurien  untereinander  und  mit  dem  Kurfürsten. 
Der  Vertrag  mit  der  Ritterschaft  vom  Jahre  1547  (3.  De- 
zember) ist  nur  durch  Vermittelung  des  Domkapitels  zu- 
stande gekommen. 

Das  in  den  Kapitulationen  festgelegte  Konsensrecht,  na- 
mentlich daß  der  Kurfürst  keine  Subsidien  und  Steuern  ohne 
Willen  des  Domkapitels  ausschreiben  durfte,  brachte  es 
mit  sich,  daß  er  beim  Ausschreiben  von  Landtagen  an 
dessen  Zustimmung  gebunden  war.  Der  Landtag  war  stets 
mit  einer  Vorverhandlung  im  Kapitel  verknüpft,  die  Pro- 
positionen erwähnen  gelegentlich  ausdrücklich  seine  Zu- 
stimmung. Die  aus  den  achtziger  Jahren  des  XV.  Jahr- 
hunderts erhaltenen  Protokolle  lassen  zur  Genüge  erkennen, 
daß  dieses,  wenigstens  in  jener  Zeit  keineswegs  eine  bloße 
Formsache  war,  das  Kapitel  weigerte  sich  zuweilen  selbst, 
den  Subsidienforderungen  zuzustimmen.  Als  der  Eb.  1481 
den  Beirat  der  zu  ihm  gesandten  Kapitularen  zu  umgehen 
suchte,  legt  das  Kapitel  dagegen  energisch  Verwahrung  ein. 
Es  sei  darüber  sehr  befremdet,  „den  wane  etwas  vorgenom- 
men wirt,  da  dem  stift  und  undersaßen  des  stifts  merk- 
lich an  gelegen  ist,  so  myne  wir  nit,  daß  jemand  darzu 
billiger  zu  reden  habe  dann  vurgenannt  doemcapitel  nach 
der  pflicht,  ein  jeklicher  ertzbischof  zu  Trier  einem  doem- 
kapitel  behaft  und  verwant  ist."  Deshalb  solle  er  sich  heute 
oder  in  einem  der  nächsten  acht  Tage  persönlich  in  das 
Kapitel  verfügen  um  über  die  Sache  zu  sprechen3. 


2.  ct.  Reichsritterschaft  (R.  R.)  Kanton  Niederrhein  VIII  i 
tomus  attestationum  I  580.    Ueber  diesen  siehe  unten. 

3.  St.  A.Dk.IB.öyp.  153,  cf.  Lager  Repertorium  der  Dk.  im  St.  A.; 
B.  no.  149  1498,  2.  dec.  Der  Kf.  solle  drei  Mitglieder  des  Dk.  in 
seinem  Rat  haben,  um  zu  überlegen,  wie  das  Erzstitt  die  aus 
verschiedenen  Ursachen,  namentlich  der  bopparder  Fehde  ent- 
standenen Unkosten  abtragen  könne,    cf.  Görz  Reg.  1498,  23.  apr. 


—    46  — 


Bis  zum  Ende  des  XV.  Jahrhndderts  bewahrt  sich  das 
Domkapitel  auch  einen  Einfluß  auf  Erhebung,  Verwahrung 
und  Verwendung  der  Subsidien  und  Landsteuern.  Bereits 
1286  ließ  sich  dies  vereinzelt  feststellen.  1479—1480  sollen 
sechs  Verordnete,  zwei  vom  Kapitel,  zwei  von  der  Geist- 
lichkeit und  zwei  vom  Kurfürsten  Subsiden  und  Landsteuer 
erheben  und  dem  Kapitel  zur  Verwendung  einliefern4.  Noch 
1488  vergleicht  es  sich  mit  dem  Eb,  daß  es  zur  Erhebung 
der  bewilligten  Subsidien  die  Kommissare  ernennen  soll5. 

Nach  der  vollen  Ausbildung  der  landständischen  Ver- 
fassung im  XVI.  Jahrhundert  haben  die  Stände  die  Ver- 
waltung und  Einnahme  ihrer  Steuern  selbst  in  die  Hand 
genommen,  die  allerdings  in  den  allermeisten  Fällen  ohne 
weiteres  dem  Kurfürsten  ausgeliefert  wurden. 


2.  Der  geistliche  Stand. 

Während  in  Mainz  und  Köln  der  Klerus  für  sich  allein 
zu  Subsidienverhandlungen  berufen  wurde,  kamen  in  Trier 
seine  selbständigen  Versammlungen  ab,  seitdem  auch  die 
weltlichen  Stände  zu  Landsturm  herangezogen  wurden.  1501 
war  die  Geistlichkeit  des  Ober-  und  Niederstifts  auf  dem 
Landtag  vertreten,  seitdem  läßt  sich  kein  Landtag  mehr 
ohne  sie  nachweisen.  Eigene  Versammlungen  kamen  nur 
vor  wegen  der  Bewilligung  von  Palliengeldern,  die  von  dem 
gesamten  Diözesanklerus  getragen  wurden. 

Die  geistliche  Kurie  setzte  sich  zusammen  aus  den 
Kollegiatstiften,  den  Klöstern  und  den  Landdekanaten.  Die 
Aebte  konnten  sich  durch  bevollmächtigte  Gesandte  ver- 
treten lassen,  die  Frauenklöster  waren  immer  hierauf  an- 
gewiesen.   In  der  Regel  übernahm  wohl  ein  Abt  ihres 


4.  Dk.  I  B.  67  p.  143. 

5.  Reg.  der  El>.  23.  july  1488.   Protokollbücherl  B  68.  p.  20. 


—    47  - 


Ordens  diesen  Auftrag6.  Die  Gesandten  waren  an  die 
Instruktion  ihres  Konvents,  Stifts,  Dekanats  gebunden7. 

Doch  hält  es  schwer  im  einzelnen  nachzuweisen,  wer 
auf  dem  Landtag  vertreten  war.  Wir  sind  dabei  angewiesen 
auf  zwei  Listen  eine  von  1515,  die  andere  von  1548,  beide 
bei  Hontheim  abgedruckt8.  Die  erste  hiervon  ist  sehr 
lückenhaft,  die  zweite,  deren  Echtheit  nicht  zweifelhaft  sein 
kann,  scheint  hingegen  für  alle  drei  Stände  vollständig  zu 
sein.  Nach  dieser  Liste  waren  auf  dem  Landtag  nur  Ange- 
hörige des  Diözesanklerus  vertreten,  von  diesem  jedoch  nur 
solche,  die  im  Stift  selbst  begütert  und  demnach  zur  Land- 
steuer verpflichtet  waren.  Der  Nachweis  läßt  sich  führen 
durch  einen  Vergleich  mit  den  geistlichen  Landsteuer- 
registen.  Solche  sind  allerdings  erst  aus  späterer  Zeit  er- 
halten, für  den  Niederklerus  aus  den  Jahren  1576  und  1582, 
für  den  oberen  von  1603.  In  ihnen  kehren  alle  1543  ver- 
zeichneten  Körperschaften   wieder,   es  fehlen   nur  einige 


6.  cf.  Hontheim  II,  715.  Zettel  etlichen  Aebten  eingelegt:  wullest 
auch  in  deines  ordens  propsteien  und  prioraten,  auch  jungfrauen 
oder  frauenklöster,  so  under  deinem  bevel  .  .  .  seind,  diese  unser 
meinung  forderlichen  anzeigen,  dich  mit  inen  doruf  entschließen 
und  vollen  gewalt  von  inen  namen,  gestalt  uf  egenantem  tag  von 
iren  wegen  auch  entlich  zu  handeln.  1548. 

7.  cf.  n.  6.  Ferner:  Ausschreiben  an  Dekan  und  Kapitel 
St.  Florin  zu  Koblenz,  zwei  oder  drei  von  ihnen  sollten  mit  voller  Ge- 
walt in  Cochem  erscheinen,  nachdem  sie  sich  zuerst  unter  sich  fürder- 
lichst  unterredt  hätten.  1541.  Hontheim  II.;  t.  a.  I  393; 
1554  hätten  die  Gesandten  der  Oberklerisei  in  ihrer  Konstitution 
ausdrücklichen  Bevehl  gehabt,  Steuer  nur  unter  der  Bedingung  zu 
willigen,  daß  auch  die  Ritterschaft  mitsteuere.  Zeuge  legt  die 
Originalinstruktion  vor. 

8.  Die  Liste  von  1 5 1 5  bei  Hontheim  II  603  aus  dem  Tempo- 
rale Richards  v.  Greifenclaw  St.  A.  A.  1  1  no.  23  p.  237.  —  Die 
Liste  von  1548  Hontheim  II  7  15  unbekannter  Herkunft,  wahrschein- 
lich aus  der  Kanzlei  stammend. 


—    48  - 


durch  die  Reformation  oder  sonst  mittlerweile  eingegange- 
nen, wie  die  Abtei  Grünau,  die  Stifter  Itstein,  Gemünd, 
Dietz9  im  Nassauischen.  Von  den  übrigen  Steuerpflichtigen 
fehlen  1548  alle  Angehörigen  fremder  Diözesen,  vom  eigenen 
Diözesanklerus  nur  etliche  Frauenklöster  und  ganz  arme 
Klöster,  denen  wohl  die  Reise  zum  Landtag  zu  kostspielig 
war,  so  alle  Bettelorden. 

Die  durchweg  mit  reichen  Pfründen  ausgestatteten  Stifts- 
kirchen sind  vollzählig  vertreten,  von  den  reich  begüterten 
Benediktinern,  Zisterziensern,  Prämonstratensern,  Kar- 
thäusern10, Augustinern  (Springersbach)  sind  die  Männer- 
klöster ohne  Ausnahme  verzeichnet. 


3.    Der  Adel. 

Wie  die  Geistlichen,  so  verhandelten  auch  die  vom  Adel, 
Grafen,  Herren  und  Ritterschaft  nur  in  einer  einzigen 
Kurie,  es  gab  keine  besondere  Grafenkurie,  wie  etwa  in 
Köln.  Schon  seit  altersher  begegnen  uns  ausländische 
Dynasten  im  Rate  der  Erzbischöfe.  Die  meisten  der  um- 
liegenden Grafengeschlechter  standen  mit  dem  Kurfürsten 
im  Lehnsnexus,  manche  hatten  ihre  eigene  Grafschaft,  un- 
beschadet ihrer  Reichsunmittelbarkeit,  zu  Lehen  aufge- 
tragen11.  Aus  dem  Lehnshof  heraus  muß  sich  die  Berechti- 


9.  Von  den  Stiften  fehlt  sonst  nur  noch  das  Marienstift  in 
Prüm,  von  den  Klöstern  die  Benediktiner-Abteien  Neu-Münster  in 
Luxemburg  und  Prüm  in  den  Steuerlisten.  Die  letztere  war  1574 
durch  ewige  Union  mit  der  erzbischöflichen  mensa  vereint  worden. 
Ihre  Einkünfte  galten  daher  wohl  als  steuerfreies  Kammergut. 
Bei  einigen  ausländischen  Dekanaten  herrscht  Unklarheit. 

10.  Die  48  vertretene  Karthause  zu  Rettel  (arm)  kehrt  in  den 
Steuerlisten  nicht  mehr  wieder,    cf.  Marx  IV,  340. 

11.  cf.  z.  B.  Hontheim  II,  T44,  T34.0.  Johann  Graf  von  Sayn 
trägt  seine  Burg  Sayn   mit  Zubehör  und   eine  Reihe   anderer  Be- 


-    49  - 


gung  zum  Besuch  des  Landtags  entwickelt  haben.  Im 
16.  Jahrhundert  sind  das  entscheidende  aber  nicht  mehr 
lehnrechtliche  Beziehungen,  sondern  Landbesitz  innerhalb 
des  Territoriums12.  Von  einer  Unterwerfung  dieser  Grafen 
unter  die  Landesherrschaft  kann  keine  Rede  sein.  Die 
Grafen  konnten  sich  durch  bevollmächtigte  Abgesandte  Ver- 


sitzungen und  Rechte  dem  Eb.  zu  Lehen  auf,  mit  dem  Vorbehalt, 
daß  sie  nicht  aus  Mangel  an  Erben  heimfallen  können. 

12.  Abschied  von  1556,  Honth.  II,  76g,  die  Grafen  und  Herren, 
„die  seine  chf.  gn.  lehenmann  seyn  und  ire  undertanen  im  stift 
sitzen  haben",  sollen  neu  beschrieben  werden  t.  a.  I,  405,  Graf  zu 
Winnenburg-Beilstein  „es  seien  auch  wohl  mit  erschienen,  die  im 
erzstift  nit  geseßen. 

13.  cf.  den  Bericht  des  Wittgensteinschen  Gesandten  zum  Land- 
tag von  1556  R.  R.  VIII,  9  Beilage  nr.  19:  Die  Grafen  und  Herren 
so  persönlich  zugegen  gewesen,  dgl.  der  abwesenden  Gesandten 
haben  sich  in  keine  Handlung  einlassen  wollen,  weil  der  Kf.  sie  als 
Landsassen  und  Untertanen  beschrieben  habe.  Dieser  habe  darauf 
erklären  lassen,  es  sei  nicht  gefährlicher  Weis,  sondern  aus  Irrtum 
geschehen.  Es  solle  in  der  Kanzlei  registriert  und  abgestellt  werden. 
Damit  aus  dem  Schreiben  kein  Präjudizium  entstehe,  wolle  der  Kf. 
ihnen  einen  Revers  ausstellen.  —  Eigentümlich  wirkt  eine  Korre- 
spondenz zwischen  dem  Grafen  Jacob  von  Manderscheid  Blankenheim 
und  dem  Kurfürsten.  Abgedruckt  bei  Hontheim  II,  708;  cf.  die 
Regesten  des  Kurfürtentums  Trier  im  St.  A.  —  Der  Graf  war  durch 
ein  kaiserliches  Mandat  zum  Reichstag  berufen  worden.  Er  schreibt 
dem  Eb.  unter  dem  4.  sept.  1547,  er  trage  vom  Reich  nichts  zu 
Lehen,  sondern  alles  vom  Eb.  „als  meinen  rechten  hohe  und 
landtherren",  zum  teil  auch  von  Luxemburg.  Er  bittet  den  Eb.,  er 
wolle  ihn  bei  kais.  Maj.  und  dem  heiigen  Reich  vertreten,  wie  es 
bisher  geschehen  wäre.  Vielleicht  versuchte  der  Graf  so  durch 
eine  dick  aufgetragene  Schmeichelei   die  kostspielige  Reise  zum 

Reichstag  zu  sparen,  der  Eb.  antwortet:  (16  sept.):  „aber 

nichts  destoweniger,  woe  ir,  durch  uns,  als,  den  ir  euweren 
schreiben  nach  für  euern  herrn  und  Landfürsten  erkennt  in  f ur- 
fallenden noeten  euer  undertanen  (gemeint  sind  damit  wahrschein- 
lich, wie  aus  Verhandlungen  mit  andren  Dynasten   hervorgeht,  die 


—  50 


treten  lassen14.  Zu  den  Grafen  gehören  weiter  noch  einige 
altfreiherrliche  Geschlechter,  die  nie  zur  landsässigen  Ritter- 
schaft gezählt  haben,  sondern  kleine  Territorialherren  sind, 
wie  die  Herren  zu  Isenburg,  Winnenburg,  Westerburg.  Bei 
manchen  Familien  scheinen  schon  damals  Zweifel  bestanden 
zu  haben,  wozu  sie  zu  zählen  seien.  Die  Vögte  von  Hunol- 
stein, eine  alte  Ministerialenfamilie,  stehen  auf  der  Land- 
einung  von  1456  vor  den  Freiherrn  von  Winnenburg,  in  der 
Liste  'von  1548  werden  die  Bayer  von  Boppard,  ebenfalls 
frühere  Ministerialen,  zu  den  Grafen  gezählt.  Auch  in  den 
Reichstagsakten  finden  sich  die  Vögte  mitten  unter  Grafen- 
häusern auf  dem  königlichen  Tage  zu  Koblenz  1414,  auch 
werden  sie  zum  Hussitenkriege  angeschlagen  wie  andere 
Unmittelbare15. 


im  Erzstift  ansässigen  Leibeigenen  des  Grafen,  hierüber  cf.  p.  56) 
so  in  unserm  stift  gesessen  gleich  andern  unsern  oder  derjenigen, 
so  wir  bisher  usgezogen  haben  mit  zimlicher  Steuer  belegen  lassen, 
und  daß  sie  uns  damit  gewertig  sein,  bewilligen  wullet,  so 
seien  wir  dogegen  urpüttig,  euch  als  einen  graven  und  stand 
unsers  ertzstifts  in  des  Reichs  anlagen  zu  vertreten  und  ver- 
antworten, auch  solichen  anschlag,  wo  der  uns  von  euern  wegen 
ufgelegt  werden  solt,  für  euch  zu  entrichten  .... 

14.  R.  R.  VIII,  9,  Schreiben  des  Grafen  Ludwig  v.  Sayn 
Wittgenstein  an  seinen  Amtmann  zu  Neumagen  (gehörte  halb  zu 
Trier).  Er  wisse  nicht,  ob  er  wegen  der  Herrschaft  Neumagen  auf 
dem  Landtag  zu  erscheinen  schuldig  sei.  Wenn  sein  seliger  Vetter 
Heinr.  zu  Isenburg  es  getan  bezw.  für  die  Herrschaft  mitgesteuert 
habe,  möge  er  (der  Amtmann)  den  Landtag  von  seineswegen  be- 
suchen und,  soweit  Neumigen  belangt,  mitsteuern.  Wegen  der  Herr- 
schaft Val lender  sei  er  zu  nichts  verpflichtet  —  über  den  weiteren 
Verlauf  cf.  Moser,  Staatsrecht  des  churfürstlichen  Erzstifts  Trier  1740 
p.  136  §  32,  33.  —  Auf  dem  Landtag  von  1556  waren  nur  die 
wenigsten  Grafen  persönlich  zugegen  und  der  Abwesenden  Gesandte 
ungenügend  bevollmächtigt,    cf.  Honth.,  II.  Abschied. 

15.  ct.  Deutsche  Reichstagsakten,  herausgegeben  von  der 
historischen  Kommission  zu  München,  ältere  Reihe  VII  no.  143, 
VIII  no.  145. 


—    51  — 


Der  weitaus  überwiegende  Bestandteil  der  Adelskurie 
war  die  landständische  Ritterschaft.  Als  Berechtigung  zum 
Besuch  des  Landtags  wird  stets  angegeben  Lehnsabhängig- 
keit und  Besitztum  im  Erzstift.  Noch  gegen  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  wissen  der  Landesherr  und  seine  Räte  nicht 
klar  die  Frage  zu  beantworten,  was  von  beiden  der  eigentlich 
entscheidende  ist16.  In  einem  erhaltenen  Original-Ausschrei- 
ben  an  Wilhelm  v.  Breitbach  wird  dieser  aufgefordert,  bei 
seinem  Eid  und  Pflicht,  damit  er  dem  Erzbischof  und  Stift 
alsLehenmann  und  Hintersasse  zugetan  und  verwandt  ist,  auf 
dem  Landtag  zu  erscheinen  (27.  july  1554)17. 

Nur  das  Kanzleipersonal  unterscheidet  bereits  scharf 
zwischen  Lehnspflichten  und  Landstandschaft18,  das  eine 


16.  cf.  Die  verschiedenen  Zeugenaussagen  im  t.  a.  I:  73  Faber 
1561 — 68  trierischer  Rat:  seines  Wissens  seien  zum  Landtag  berufen, 
so  entweder  s.  ch.  gn.  als  Lehnleut,  Räte,  Diener  Beistand  getan 
oder  auch  von  wegen  dessen,  daß  sie  im  Erzstift  begütert.  —  198. 
Phil.  v.  der  Ecken,  Schultheiß  u.  Kellner  zu  Boppard,  ein  alter 
trierischer  Beamter:  Die  ausländischen  seien  begütert  unter  s.  ch.  gn. 
oder  trügen  Lehen  von  ihm.  —  236.  Eb.  Jacob  v.  Elz  .  .  .  die  im 
Stift  wohnen  seien  Landsassen,  die  daraus  sitzen  seien  keine  Land- 
sassen, denn  allein  ratione  bonorum,  die  sie  im  Stift  haben; 
erschienen  auch  wohl  Lehnlaut. 

17.  R.  R.  VIII,  2;  II,  8. 

18.  t.  a.  I,  465.  Christoph  Brandt,  Schultheiß  zu  Koblenz, 
63 — 74  Notar  am  Hofgericht:  Wann  die  Lehenleut  beschrieben 
würden,  wie  Zeug  dies  im  markgräfischen  Krieg  mit  habe  helfen 
tun,  beschriebe  man  nit  allein  die  vom  Adel,  (sondern  auch  Grafen 
und  Herrn)  und  werden  ut  eine  andre  meinung  beschrieben, 
nemblich,  daß  sie  mit  Pferd  und  Harnaß  den  Erzstift  in  vor- 
fallenden Nöten  helfen  vertheidigen.  —  810.  Balthasar  Bohlen, 
Kellner  in  Zell,  52 — 68  an  der  Kanzlei  tätig:  In  Kriegsnöten  würden 
alle  Lehnleut  beschrieben,  sie  seien  gesessen  wo  sie  wollen  .  .  .  . 
Er  könne  nicht  wissen,  worumb  man  die  beschreiben  solle,  die  im 
Erzstift  weder  gesessen  noch  begütert  seien.  —  doch  auch  224.  Freiherr 
v.  Winnenberg:   Das  wiß  er,  daß  niemandts  zu  den  Landtagen  be- 


—  52 


scheint  sich  also  langsam  und  unvermerkt  aus  dem  anderen 
herausgebildet  zu  haben.  Eine  Beschränkung  der  Landtags- 
fähigkeit auf  den  Besitz  einer  Burg,  eines  adligen  Sitzes, 
wie  ihn  Below  für  Jülich  Berg  und  auch  für  einige  andere 
Territorien  nachweist19,  gab  es  in  Trier  nicht,  sie  hätte  sich 
auch  später  kaum  entwickeln  können  wegen  der  gebirgigen 
Beschaffenheit  des  Landes.  Von  Bedeutung  sind  hier  nur  die 
großen  Burgen,  deren  Ruinen  noch  heute  der  Rhein-  und 
Mosellandschaft  ein  charakteristisches  Gepräge  geben,  und 
die  befanden  sich  in  Trier  mit  wenigen  Ausnahmen  in  den 
Händen  des  Landesherren.  Die  Burg  worauf  sich  die  Land- 
tagsfähigkeit der  bergischen  Ritter  stützt,  ist  durchweg  der 
Typus  der  Wasserburg,  „ein,  alter  steinen  Strunk  in  einem 
Wassergraben",  —  „ligen  beide  in  iren  weieren"  und  ähn- 
liche Beispiele  mehr  führt  v.  Below  an.  (Terr.  u.  Stadt  99, 
103.)  Diese  Art  von  adligen  Sitzen  ist  aber  an  die  Ebene 
geknüpft,  auch  die  übrigen  Beispiele  aus  anderen  Territorien, 
die  v.  Below  anführt,  weisen  alle  dorthin.  In  Trier  findet 
sich  in  den  historischen  Quellen  und  in  der  heutigen  Land- 
schaft keine  Spur  davon,  während  sie  im  Rheingau  wieder 
auftauchen20.  Eine  Matrikel  hat  es  in  Trier,  solange  die 
Ritterschaft  landsässig  war,  nicht  gegeben,  wohl  führte  man 
in  der  Kanzlei  besondere  Personalverzeichnisse. 


schrieben  werde,  denn  allein  die  im  Erzstift  begütert  sein.  Ueber 
Lehnsabhängigkeit  als  Grund  der  Landstandschaft  in  der  Kur- 
Mark  Brandenburg  cf.  v.  Belows  Recension  in  der  historischen  Zeit- 
schrift ioo  p.  324. 

19.  cf.  Territorium  u.  Stadt,  p.  9g,  160,  207. 

20.  cf.  Bodmann  I,  253.  Zum  Stand  eines  rheingauischen 
schildbürtigen  Dienstmannes  gehörte  wesentlich  eine  adlige  Wohnung, 
Hof  oder  Ritterseß. 

21.  t.  a.  I  238,  274,  454  (Brandt),  die  Adligen  hätten  sich  ihres 
Ausbleibens  schriftlich  entschuldigt,  was  andere  ihre  Mitgenossen 
bewilligten,  daß  ihnen  das  nicht  zuwider  sein  sollte. 


—    53  — 


Die  Ritterschaft  erschien  wie  allenthalben  persönlich 
auf  dem  Landtag.  Es  wurde  als  selbstverständlich  ange- 
sehen, daß  niemand  ohne  redliche  ehafte  Verhinderung  aus- 
blieb. Wer  verhindert  war  zu  erscheinen,  ließ  sich  münd- 
lich oder  schriftlich  beim  Erzbischof  entschuldigen  und  er- 
klärte sich  dabei  mit  den  Beschlüssen  des  Landtags  für  ein- 
verstanden21 oder  erteilte  auch  einem  anderen  Ritter  Voll- 
macht, ihn  mitzuvertreten22.  Der  Sprecher  der  Adelskurie 
wechselt,  er  ist  nicht  wie  zu  erwarten  wäre  der  Erbmarschall, 
einmal  begegnet  der  Herr  v.  Winnenburg,  ein  andermal  Phil, 
v.  Nassau.  Seit  Beginn  des  Prozesses  (1577)  fangen  Grafen 
und  Ritterschaft  an,  sich  vom  Landtag  zurückzuziehen,  mit 
ihnen  die  Johanniter  zu  Trier  und  Hönningen,  die  Deutsch- 
herren zu  Trier,  Koblenz  und  Breitbach  (Liste  von  1548), 
doch  wurden  sie  noch  lange  Zeit  vergebens  berufen23. 


22.  In  einem  Originalausschreiben  vom  4.  juli  54  R.  R.  II,  8 
wird  von  W.  von  Breitbach  direkt  verlangt,  er  solle  im  Fall  der 
Verhinderung  einen  Bevollmächtigten  schicken.  —  Derselbe  an 
Jörg  v,  Elz,  Amtmann  zu  Meifelt  8.  juni  57.  Führt  triftige  Gründe 
an,  weshalb  er  zum  Landtag  nicht  kommen  könne,  bittet  v.  Elz, 
ihn  beim  Kf.  zu  entschuldigen,  erklärt  sich  mit  den  Beschlüssen 
des  Tages  einverstanden.  —  Hans  Reichardt  v.  Elz,  Amtmann  zu 
Molsberg  an  seinen  Bruder  Jörg:  Bittet  ihn,  ihn  beim  Eb.  wegen 
des  Landtags  entschuldigen  zu  wollen  „und  wo  dich  bedunkt,  daß 
bei  hochgedachtem'  unseren  gnedigsten  herren  meins  ausbleibens 
halben  einige  Ungnade  verstanden  wurd,  beger  ich,  du  wollst  mich 
derselbig  verstendigen,  will  ich  demselbigen  zuvorkommen  und  uf 
gedachtem  landtage  erscheinen.    1.  juni  1557.    R.  R.  II,  8. 

23.  Hontheim  III,  673.  25.  juni  1652.  Die  Landstände  haben 
sich  beschwert,  daß  die  Ritterschaft  nicht  wie  herkömmlich  zum 
Landtag  geladen  sei.  Der  Eb.  antwortet,  da  dies  doch  immer 
umsonst  gewesen  sei,  hibe  man  es  seit  etlichen  Jahren  unterlassen, 
doch  wolle  er  sie  zum  nächsten  Mal  laden. 


—  54 


4.  Städte  und  Landschaft. 

Der  dritte  Stand,  Städte,  Pflegen  und  Landschaft,  er- 
scheint von  den  ersten  Nachrichten  über  den  Landtag  an 
stets  in  dieser  Bezeichnung.  Ein  Hervortreten  des  städti- 
schen Elementes  haben  wir  zuerst  in  der  Urkunde  Balduins 
vom  Jahre  1339  beobachten  können. 

Einen  engeren  Kreis  landtagsfähiger  Städte  gibt  es  in 
Trier  nicht,  sie  sind  alle  gleich  berechtigt,  es  sind  dies : 
Trier,  Koblenz,  Boppard,  Obervvesel,  Limburg,  Montabaur, 
Cochem,  Münstermeifeld,  Meyen,  Zell,  Berncastel,  St. 
Wendel,  Saarburg,  Pfalzel,  Wittlich. 

Die  städtischen  Gesandten  erhielten  ihre  schriftliche 
Vollmacht,  die  sie  auf  dem  Landtag  vorlegen  mußten,  sowie 
ihre  Instruktion,  an  die  sie  gebunden  waren,  vom  Stadtrat24. 
Die  Gesandten  waren  durchweg  selbst  Ratsfreunde,  mit 
Vorliebe  die  Bürgermeister  selbst  und  der  Stadtschreiber. 
Nach  einer  Vollmacht  der  Stadt  Koblenz  vom  13.  Mai  155125 
wurden  neben  vier  Mitgliedern  des  Bürgerrats  auch  fünf 
Ritterräte  zum  Landtag  entsandt.  Einen  Ritterrat  gab  es 
zu  dieser  Zeit  meines  Wissens  sonst  nur  noch  in  Boppard. 
Mit  der  Ritterschaft  zogen  auch  sie  sich  vom  Landtag  zurück. 
Die  Zahl  der  Gesandten  war  zuweilen  nicht  unbeträchtlich. 
1602  waren  Koblenz  und  Trier  durch  je  fünf,  die  übrigen 
Städte  durch  zwei  und  drei,  1620  die  beiden  erstgenannten 
durch  je  acht  Gesandte  vertreten26. 

Sprecher  der  Landschaftskurie  war  der  Stadtschreiber 
von  Trier,  er  nimmt  die  schriftliche  Proposition  in  Empfang, 


24.  cf.  t.  a.  I,  866.  Instruktion  des  Stadtschreibers  von  Maien, 
gegeben  nach  einem  wegen  Steuerstreitigkeiten  vertagten  Landtag; 
item,  die  scheffen  und  rate  geben  iren  beschaidt.  wann  noch  das 
corpus  ergänzt  würd,  sey  man  wie  vor  gutwillig,  unsen  gebur  zu 
angesaigten  tagen  zu  geben.  —  actum  im  sitzenden  rat  1556. 

25.  t.  1.  7. 

26.  t.  1.  516  u.  7  p.  93. 


55 


leitet  die  Verhandlungen  und  trägt  den  Beschluß  der  Ver- 
sammlung vor27. 

Außer  den  Städten  haben  auch  die  Aemter,  Pflegen,  „der 
Landmann"  ihre  eigene  Vertretung  auf  dem  Landtage.  Der 
Ausdruck  städte  und  pflegen  begegnet,  wie  bemerkt,  seit  den 
ersten  Nachrichten  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts. 

Dieselben  Distrikte,  auf  welche  die  Gesamtsteuersumme 
repartiert  wurde,  also  in  den  meisten  Fällen  die  Aemter, 
waren  auch  auf  dem  Landtag  vertreten,  wie  sich  aus  einem 
Vergleich  zwischen  den  Repartitionslisten28  und  den  Ver- 
zeichnissen der  Landtagsbesucher  ergibt.  An  die  Amt- 
leute erging  das  Ausschreiben  mit  der  Weisung:  „du 
wullest  deine  amptsverwandten  zusammen  lassen  kommen 
und  ihnen  die  meinong  zu  erkennen  geben,  auch  an  sie  be- 
geren,  daß  si  zweien.'  aus  ihnen  mit  vollen  gewalt"  ent- 
senden29. Wo  Städte  Sitz  eines  Amtes  waren,  hatte  dieses 
seine  eigene  Vertretung,  mit  der  freilich  mehrfach  die 
städtischen  Gesandten  bevollmächtigt  werden.  Es  ist  nicht 
näher  bekannt,  in  welcher  Weise  die  Aemter  ihre  Gesandten 
bestimmten,  vermutlich  geschah  es  durch  Schultheißen  und 
Schöffen,  die  auch  Verteilung  und  Erhebung  der  Steuern  be- 
sorgten. 

Neben  diesen  eigenen  Abgeordneten  der  Aemter  wurden 
auch  die  Amtleute  berufen30. 

Städte  und  Landmann  verhandelten  in  einer  Kurie.  In 
den  Städten  selbst  sind  die  Verhältnisse  wesentlich  bäuer- 
liche. Sogar  eine  immerhin  so  bedeutende  Stadt  wie  Boppard 
setzte  sich  zum  größten  Teil  aus  Frohn-  und  Bauernhöfen 

27.  t.  a.  I  871,  t.  1.  VII.    Abschied  zu  Zell,  21.  mai  51. 

28.  Die  vorhandenen  Repartitionslisten  im  Anhang. 

29.  R.  R.  II,  8.    Ausschreiben  an  Jörg  v.  Elz. 

30.  ct.  Hontheim  II,  718,  ferner  Ausschreiben  an  J.  v.  Elz, 
24.  apr.  51  mit  dem  Zusatz:  wullest  auch  uf  egenanntem  tag  selbst 
erscheinen  neben  andern  gleichfalls  helfen  handeln;  ein  anderes  Aus- 
schreiben an  ihn  enthielt  den  Zusatz  nicht. 


—  56 


zusammen.  Die  gerade  für  Stadt  und  Amt  Boppard  ein- 
gehende Nachricht  im  Feuerbuch  von  1564  beleuchten  dies 
sehr  deutlich.  Für  die  Entwicklung  eines  spezifisch  städti- 
schen Lebens  fehlen  in  Kur-Trier  die  natürlichen  Vorbe- 
dingungen. Das  Stift  erstreckte  sich  in  langem  Zuge  dem 
Lauf  der  Mosel  entlang;  und  darüber  hinaus  bis  in  den 
Westerwald,  während  die  großen  Handels-  und  Verkehrs- 
straßen Deutschlands  von  Süden  nach  Norden  gehen.  Das 
Land  selbst  enthält  auch  keine  Schätze,  die  eine  boden- 
wüchsige  Industrie  hätten  hervorbringen  können31.  Anderer- 
seits war  die  bäuerliche  Freiheit  hier  wie  in  ganz  Südwest- 
deutschland nur  höchst  unbedeutend  eingeschränkt.  Die 
Bemerkung  eines  bayerischen  Juristen  vom  Jahre  1759,  „daß 
heut  zu  tag  ein  leibeigner  und  anderer  gemeiner  bauer  fast 
wie  zwei  tropfen  wasser  einander  gleich  sehen32,  bestätigt 
sich  auch  in  Trier.  Das  Feuerbuch  von  1564  nimmt  auf  die 
Pflichten  der  Leibeigenen  besondere  Rücksicht.  Das  Haupt- 
merkmal, worin  sich  diese  von  den  freien  Bauern  unter- 
scheiden, besteht  darin,  daß  sie  keine  beede  zahlen,  aber 
ihren  Leibheren  zu  einem  Leibschatz,  Leibbeede,  verpflichtet 
waren.  3,  auch  4  alb.  jährlich  werden  genannt.  Zudem 
konnten  sie  sich  von  der  Leibeigenschaft  loskaufen,  wenig- 
stens haben  sie  dies  im  Bopparder  Reich  auf  die  Aufforde- 
rung des  Schultheißen  hin  zum  größten  Teil  getan33. 

31.  cf.  Ademeit,  Beiträge  zur  Siedelungsgeographie  des  unteren 
Moselgebiets  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volks- 
kunde v.  A.  Kirchhof!  B.  XIV,  Heft  4,  1903. 

32.  cf.  Grosch,  das  spätmittelalterliche  Niedergericht  auf  dem 
platten  Lande  am  Niederrhein  in  Gierkes  Untersuchungen  zur 
deutschen  Staats-  und  Rechtsgeschichte.    Heft  84,  igoö. 

33.  cf.  das  Feurbuch  von  1564  Kur  Trier,  Statistik  5 |ö,  p.  43. 
36,  10,  den  Leibherren  seien  sie  mit  dem  Leibschutz  schuldig, 
cf.  Rörig,  Entstehuug  der  Landeshoheit  des  trierer  Erzbischofs  etc. 
Westdeutsche  Zeitschrift,  Ergänzungsheft  XIII,  p.  62.  Hont- 
heim III,  167. 


III.  Der  Landtag. 

1.   Seine  Organisation. 

Die  Berufung  zum  Landtag  erfolgte  im  allgemeinen  vier 
Wochen  vor  dem  Termin,  auch  bei  Vertagungen  lag  eine 
Zeit  von  mindestens  2 — 3  Wochen  zwischen  den  einzelnen 
Versammlungen.  Die  Proposition  wurde  in  der  Kanzlei 
redigiert  und  in  vier  Exemplaren  hergestellt,  je  eins  für 
den  Landesherrn  und  jeden  der  drei  Stände1.  Auf  dem  Land- 
tag zu  Koblenz,  11.  Februar  1576,  gab  man  nur  eine  Kopie 
insgemein  heraus,  „weil  nit  nutz  were,  daß  die  secreter  und 
mängel  des  stifts"  weit  verbreitet  würden.  Man  gab  auch 
nicht  zu,  daß  sie  abgeschrieben  wurde,  sondern  ließ  sie 
nachher  wieder  zurückgeben2.  Der  Landesherr  war,  soweit 
sich  erkennen  läßt,  wohl  anwesend,  griff  aber  nicht  persön- 
lich in  die  Verhandlungen  ein3. 

Die  Proposition  wurde  den  Ständen  gemeinsam  verlesen, 


1.  cf.  t.  a.  I,  804  Brief  des  Rats  Michael  Stauden  an  einen 
Kanzleibeamten;  sein  gn.  herr  (der  Eb.)  habe  ihm  (Stauden)  ein 
Konzept  der  Landtagsproposition  gesandt  und  ihn  gebeten,  allerlei 
zu  und  ab  zu  tun.  Er  (der  Beamte)  solle  sorgen,  daß  sie  viermal 
abgeschrieben  würde,  den  drei  Ständen  und  dem  Kanzler  je  ein 
Exemplar. 

2.  t.  a.  I  590. 

3.  cf.  Trier,  Stadtbibliothek  la  47,  14.  febr.  47,  erstlich  hait 
.  .  .  herrn  Joh.  Ludwig  .  .  .  sich  anfenklich  lassen  entschuldigen, 
daß  i.  ch.  gn.  nit  by  die  loblichen  Versammlung  eigener  person 
war,  da  selbiger  gimuet  u.  meinung  erlich  ist  gewest,  nit  mocht 
ersehynen  mit  erzelung  der  ursach. 


-  58 


meist  durch  den  Kanzler,  Erzbischof,  Kapitel  und  Räte  auf 
der  einen,  die  Stände  auf  der  anderen  Seite  stehend4.  Darauf 
traten  diese  kurienweise  gesondert  zur  Beratung  ab.  Die 
Verhandlungen  innerhalb  der  drei  Kurien  leitete  der 
Sprecher,  zwischen  ihnen  gingen  hin  und  her  Abgeordnete, 
da  man  sich  nach  Möglichkeit  einer  gemeinsamen  Antwort 
zu  vergleichen  suchte.  Der  Freiherr  von  Winnenberg 
schildert  die  Verhandlungen  folgendermaßen:  Nachdem  die 
drei  Stände  gesonderten  Rat  gehalten  haben,  kommen  die  von 
der  Klerisei  zu  Grafen,  Freiherrn  und  vom  Adel  und  melden, 
•  was  sie  in  ihrem  Rat  vor  Guts  angesehen.  Das  nehmen 
diese  in  Bedenken.  Darnach  kommen  auch  die  von  Städten 
und  Pflegen  und  tun  desgleichen  .  .  .  Darnach,  wann  die 
Grafen,  Herren  und  vom  Adel  sich  auch  ihrer  einbarer 
Meinung  verglichen,  und  dieselbe  mit  der  Klerisei,  Städten 
und  Pflegen  zusammen  bestimmt  haben,  so  kommunizieren 
sie  mit  den  andern  und  wird  desfals  eine  Antwort  von  aller 
Stand  wegen  geben.  Können  sie  aber  nit  vergleichen,  so 
sprechen  die  Grafen,  Herren  und  vom  Adel,  daß  sie  für  sich 
ihr  ch.  gn.  uf  die  Proposition  beantworten  wollen,  und  wird 
dann  die  Antwort  geben  durch  die  Herren  Grafen  einen 
oder  durch  |einen  vom -Adel  (oder  durch  einen  secretarium  oder 
Diener  von  wegen  Grafen,  Herren  und  vom  Adel5.  Den  Ver- 
kehr mit  dem  Landesherren  vermittelte  namentlich  das  Dom- 
kapitel, das  jedesmal  drei  Vertreter  zum  Landtag  entsandte. 
Die  Verhandlungen,  die  seit  1544,  also  unseren  ersten  aus- 
führlichen Nachrichten,  durch  den  beständigen  Streit  mit  der 
Ritterschaft  charakterisiert  sind,  nahmen  zuweilen  einen 
recht  stürmischen  Verlauf6. 


4.  t.  a.  I  590. 

5.  t.  a.  I  408. 

6.  t.  a.  I  464.  Die  Ritter  haben  sich  der  Antwort  mit  den 
anderen  Ständen  nit  wollen  einlassen;  das  habe  die  anderen  Stände 
übel  verdrossen,   dermaßen,  daß  sie  auch   zu  Cochme   (1557)  mit 


—    59  - 


Sie  lagen  schon  zu  dieser  Zeit  vorzugsweise  in 
den  Händen  eines  Ausschusses,  wenigstens  bei  Geist- 
lichkeit und  Landschaft7.  Erwähnt  wird  er  zuerst 
in  einem  Protokoll  über  den  Landtag  von  1547  wie  eine 
landläufige  Einrichtung.  Man  nahm  dazu  bei  Städten  und 
Pflegen  im  allgemeinen  12  Deputierte,  je  6  vom  oberen  und 
niederen  Stift,  1551  zu  Zell  24  (ausnahmsweise)  wozu  Kob- 
lenz und  Trier  je  drei,  Boppard  und  Wesel  je  zwei  Mitglieder 
stellten8.  Selbständig  ist  der  Ausschuß  zu  dieser  Zeit  noch 
nicht,  er  tritt  immer  nur  bei  einer  Versammlung  aller  Ge- 
sandten zusammen  und  wurde  jedesmal  neu  gewählt.  Die 
übrigen  Abgeordneten  pflegten  dann  zur  Vermeidung  der 
Kosten  vor  Ende  des  Tages  hinwegzuziehen  und  dem  Aus- 
schuß die  Verhandlungen  zu  überlassen9.  Ein  Zeichen  einer 
beginnenden  selbständigeren  Stellung  des  Ausschusses  ist 
zuerst  1564  bemerkbar.  Der  Landtag  zu  Cochem  (25  juli) 
hatte  sich  mit  Beschwerden  der  Stände  wegen  ungleicher 
Steuerveranlagung  beschäftigt.  Es  wurde  nun  beschlossen, 
daß  die  Stände  innerhalb  zweier  Monate  ihre  Beschwerden 
in  die  Triersche  Kanzlei  schriftlich  einreichen  sollten.  Der 
Erzbischof  sollte  darauf  einen  Ausschuß  berufen,  der  auf 
diesem  Landtage  gewählt  wurde,  nämlich  vier  geistliche  und 
und  zehn  städitsche  Deputierte10.  Es  ist  das  erste  Mal,  daß 
ein  Ausschuß  zusammentritt,  ohne  daß  ein  allge- 
meiner Landtag  damit  verbunden  wäre.  Eine  be- 
sondere Bedeutung  erlangten  die  Ausschußsitzungen  erst 
gegen  Ende  des  Jahrhunderts  im  Zusammenhang  mit  der 


Worten  aneinander  erwachsen,  daß  die  vom  Adel  durch  Antony 
Hausmann,  Ritter  de  injuriis  zu  protestieren  unterstanden. 

7.  t.  1.  VII.  Zell  23.  mai  51.  Ausschuß  von  Städten  und 
Landschaft  sendet  eine  Abordnung  an  den  Adel,  um  mit  ihm  zu 
beraten. 

8.  t.  1.  VII. 

9.  t.  a.  I  278,  319. 

10.  Abschied  abschriftlich  t.  a.  I  812. 


—  60 


Entwicklung  einer  landständischen  Kasse,  namentlich  die 
sogenannten  Rechnungstage  wurden  stets  vom  Ausschuß 
abgehalten. 

Beschlossen  wurde  der  Landtag  durch  den  Abschied. 
Eine  offizielle  Redaktion  desselben  mit  Datumzeile  und  „bei- 
getruktem  Kanzleisekret"  ist  nachweisbar  solange  ausführ- 
lichere Nachrichten  vorhanden  sind,  also  seit  1542.  Die  in 
der  Kanzlei  verfaßten  und  ingrossierten  Abschiede  wurden 
den  Ständen  besiegelt  übergeben.  Von  den  Städten  bekamen 
Koblenz  und  Trier  je  ein  Exemplar,  die  übrigen  ließen 
sich  davon  Abschriften  herstellen11. 

Seit  dem  Jahre  1576  wird  es  außerdem  üblich,  daß 
für  Geistlichkeit  und  Städte  mehrere  Vertreter  den  Abschied 
unterzeichnen11. 

Erfolglose  Landtage  sind  in  Trier  so  wenig  wie  anders- 
wo eine  Seltenheit,  1556  mußten  Städte  und  Landschaft  drei- 
mal zusammentreten,  ehe  sich  der  Erzbischof  mit  ihnen 
einigen  konnte. 

Innerhalb  ihres  eigenen  Standes  schlössen  sich  die 
Kurien  nicht  ängstlich  gegen  jeden  Unberufenen  ab.  Bei 
der  Ritterschaft  ist  die  Teilnahme  von  bloßen  Lehenleuten 
so  häufig  »erwähnt,  daß  wir  an  der  Tatsache  nicht  gut  zweifeln 
können  (womit  nicht  gesagt  sein  soll,  daß  diese  auch  offiziell 
berufen  waren).  Ferner  bezeugt  ein  Geistlicher,  er  sei  auf 
zwei  Landtagen  gewesen  „dan  ob  er  wohl  nit  darzu  depu- 
tiert gewest,  so  hab  er  doch  darzu  getreten  umb  zu  sehen 
und  zu  hören,  wie  andere  mehr."  Aehnlich  äußert  sich 
ein  Schöffe  zu  Mülheim  (Ehrenbreitstein) :  er  sei  1566  wegen 
des  Kirchspiels  Arenberg?  zu  Trier  gewesen  als  ein  un- 
schuldiger Deputierter,  wo  die  Städte  samt  dem  Landmann 
erschienen12.  Andererseits  bestrafen  Städte  und  Geistlich- 
keit das  Ausbleiben  der  ordentlichen  Gesandten,  wenn  wir 
dem  einzigen  Zeugnis  dafür  Glauben  schenken  dürfen13. 


11.  cf.  t.  a.  I  830,  Abschied  zu  Koblenz. 

12.  t.  a.  I  607. 

13.  t.  a.  I  274.     Eucharins  Rosoris,  Dekan  von  St.  Paulin,  der 


—  61 


Die  Kosten,  die  eine  Reise  zum  Landtag  mit  sich  brachte, 
mußten  Geistlichkeit  und  Landschaft  aus  ihrem  eigenen 
„säcklin"  bestreiten,  der  Adel  pflegte  samt  seinen  Dienern 
bei  Hofe  zu  essen,  auch  erhielt  er  von  dort  Futter  für  seine 
Pferde14.  Wenn  es  einen  guten  Abschied  gegeben  hatte, 
wurden  auch  wohl  Geistlichkeit  und  Landschaft  einmal  zu 
Tisch  geladen. 

Zeit  und  Zahl  der  Landtage  richten  sich  ganz  nach  dem 
Bedürfnis.  Einmal  ist  erst  in  zehn  Jahren  wieder  ein  Land- 
tag berufen  worden  (66 — 76)  dann  wieder  mehrere  in  einem 
Jahr,  ohne  die  Neuberufungen,  die  durch  das  „Hintersich- 
bringen"  der  Gesandten  nötig  wurden. 

Als  Ort  wählt  man  mit  Vorliebe  eine  von  allen  Seiten 
bequem  zu  erreichende  Stadt,  Cochem  und  Zell  in  den 
meisten  Fällen,  einmal  auch  Wittlich  und  Mayen,  außerdem 
sind  nur  noch  die  beiden  Hauptstädte,  Koblenz  und  Trier 
berücksichtigt. 

Was  die  Dauer  angeht,  so  zeigen  die  Landtage  eine  zu 
nehmende  Neigung,  sich  in  die  Länge  zu  ziehen.  Anfangs 
in  2 — 3  Tagen  erledigt,  dauern  sie  in  den  60er  Jahren  schon 
6,  der  Landtag  von  1576  bereits  11  Tage.  Die  Versammlung 
der  Stände  erfolgt  allemal  nur  auf  landesherrliche  Berufung 
hin.  Ob  die  Stände  jemals  von  dem  in  der  Einung  und  dem 
Privileg  von  1501  festgelegtem  Recht  regelmäßiger,  selbst- 


seit  1550  Landtage  besucht  hat,  sagt  aus:  „Die  Geistlichen  und 
Landschaft  haben  unter  sich  die  Namen  der  Beschriebenen  ver- 
lesen und  die  Ausbleibenden  kontumaziert.  Vom  Adel  wiß  er 
nitu.    R.  ist  in  allen  übrigen  Aussagen  gut  und  zutreffend  orientiert. 

14.  Ueber  eine  Beschränkung  der  Unterhaltspflicht  auf  den  zu 
Hof  geladenen  Adel  durch  die  bairischen  Stände  Ende  des  XIII. 
Jahrhunderts  cf.  Unger,  Gesch.  der  deutschen  Landstände,  Hannover 
1844  p.  206,  über  Köln:  Walter,  Das  alte  Erzstift  und  die  Reichs- 
stadt Köln  t866  p.  64.  Die  Bewirtung  des  Adels  verursachte  immer 
einen  erheblichen  Kostenaufwand;  cf.  Wolf  p.  17. 


—  62 


ständiger  Versammlungen  Gebrauch  gemacht  haben,  läßt 
sich  nicht  mehr  feststellen.  Dies  scheint  allerdings  1515  vor- 
zuliegen. Eine  Notiz  aus  diesem  Jahre  berichtet,  der  Erz- 
bischof  habe,  wiewohl  es  höchst  nötig  gewesen  wäre,  einen 
Landtag  zu  berufen,  zur  Vermeidung  der  Unkosten  dies 
unterlassen  „diwil  aber  die  Stenden  in  andern  Sachen  alhie 
versamblet  weren,  wülte  s.  gn.  in  nit  verhalten  siner  gn. 
anligens. 


2.    Die  Landtagsverhandlungen. 

Die  Verhandlungen  des  Trierischen  Landtags  im  16. 
Jahrhundert  sind  durchweg  äußerst  dürr  und  unfruchtbar. 
Ihr  eigentlicher  Gegenstand  bleiben  nur  die  Steuerbewilli- 
gungen und  das  trostlose  Gezänk  mit  der  Ritterschaft.  Von 
den  weltbewegenden  Ereignissen  jener  Tage  findet  sich  in 
ihnen  kaum  eine  Spur.  Wenn  nicht  der  Kurfürst  gelegentlich 
einen  Reichstagsbeschluß  mitteilen  ließe,  der  das  Laster  der 
Ketzerei  verbietet  oder  seine  Reise  zu  dem  neu  ausge- 
schriebenen Tridentiner  Konzil  verkündete  und  Statthalter 
und  Räte  für  die  Zeit  seiner  Abwesenheit  einsetzte,  würde 
man  aus  den  Landtagsakten  kaum  ahnen  können,  das  damals 
das  Zeitalter  der  Reformation  war,  während  z.  B.  die  Kölner 
Stände  eifrig  an  den  reformatorischen  Bestrebungen  ihres 
Erzbischofs  Hermann  v.  Wied  teilnehmen.  Die  religiösen 
Bewegungen  in  den  Städten,  namentlich  in  Trier  unter 
Olevian,  die  sie  allemal  mit  dem  Streben  nach  Reichsun- 
mittelbarkeit  vereinten,  finden  sich  in  den  Verhandlungen 
nur  in  der  bezeichnenden  Form  angedeutet,  daß  die  Stände 
sich  gelegentlich  beklagen :  daß  etliche  Glieder  und  Unter- 
tanen des  Erzstiftes  sich  von  den  Ständen  vermeintlich  ab- 
sondern und  mit  ihnen  nit  steuern  noch  kontribuiereri  wollen. 

Die  glückliche  und  erfolgreiche  Initiative,  die  wir  in 
den  beiden  Landeinungen  und  dein  Privileg  von  1501  be- 


obachten  konnten,  vermissen  wir  jetzt  vollständig.  Es  ist, 
als  ob  in  dem  Streit  mit  der  Ritterschaft  sich  alle  Kraft 
der  Stände  verzehrte;  sie  zeigen  keine  Neigung  mehr,  sich 
um  Gesetzgebung  und  Verwaltung  des  Territoriums  zu  be- 
kümmern. Wo  einmal  Verhandlungen  über  ein  Landes- 
gesetz auftauchen,  geht  die  Anregung  vom  Landesherren 
aus  und  die  Stände  begnügen  sich  damit,  ihm  alles  weitere 
vertrauensvoll  zu  überlassen. 

So  hatte  der  Eb.  1564  einen  eigenen  Tag  angesetzt 
(13.  August),  damit  sie  „ihre  guet  und  ratsame  bedenken 
über  die  begriffene  lands  und  -Polizeiordnung"  äußerten. 
Sie  wußten  nichts  besseres  zu  tun,  als  die  Frage  auf  den 
nächsten  Landtag  zu  verschieben,  um  sie  dort  nach  Ge- 
legenheit iirer  churf.  Gn.  zu  beantworten.  Der  nächste 
Landtag  (1566)  kommt  gar  nicht  mehr  darauf  zurück,  das 
Ausschreiben  zum  Landtag  von  1576  bringt  dann  neben 
neuen  Steuerforderungen  auch  die  Potyzeiordnung  wieder 
an  den  Tag,  die  erhaltenen  Landtagsakten  schweigen  sich 
aber  über  diesen  letzten  Punkt  völlig  aus. 

1551  nimmt  der  Kurfürst  die  Gelegenheit  des  Landtages 
wahr,  um  darauf  die  kaiserliche  Münz-  und  Polizeiordnung 
mitzuteilen15.  Tätigen  Anteil,  eigene  Anregung  suchen  wir 
bei  den  Ständen  vergebens,  sie  begnügen  sich  damit,  dem 
Kurfürsten  ihre  Beschwerden  vorzubringen,  der  dann  nicht 
versäumt  ihnen  in  huldvollen  Worten  Berücksichtigung  der- 
selben zu  versprechen. 

Einmal  (1576)  taucht  eine  Beschwerde  des  Landtages 
auf  über  die  Verpfändung  von  zahlreichen  Aemtern 
und  Schlössern.  Stadt  und  Amt  Limburg,  Molsberg, 
Camberg  und  Roßbach,  Amt  Bliescastel,  Kempenich,  Lö- 
wenberg, Kaisersesch,  Schmidtberg,  Nieder-Lahnstein,  Well- 
mich „und  anderorts  mehr"  werden  genannt.  Dadurch 


15.  cf.  Neue  u.  vollständige  Sammlung  der  Reichsabschiede 
1747  II  p.  616,  629. 


—    64  - 


geschehe  gemeiner  Landschaft  keine  geringe  Schmäi'erun^. 
Auch  würden  jene  in  Religionssachen  zum  Teil  verwiesen, 
auch  sonst  von  den  Pfandherren  hart  und  unmild  gehalten, 
so  daß  gemeine  Landstände  mit  ihnen  ein  billiges  Mit- 
leiden trügen16. 

Mehrfach  beschweren  sich  diese  auch  über  die  gar- 
tenden  Knechte,  jene  leidliche  Plage  kriegserfüllter  Zeiten, 
in  denen  Söldnerheere  verwandt  werden.  Der  Kf.  ver- 
spricht, unverzüglich  entsprechende  Verordnungen  an  seine 
Amtleute  zu  erlassen,  um  diesem  Unrat  nach  Möglichkeit 
zu  steuern17. 

Auch  in  rein  wirtschaftlichen  Fragen  läßt  sich  nur  ein- 
mal eine  besondere  Tätigkeit  der  Stände  nachweisen,  bei 
einer  am  30.  April  1551  erlassenen  Verordnung  über  den 
Verkauf  der  Wolle  und  die  Einführung  von  gemeinsamen 
Maß  und  Gewicht  dabei18.  Die  Verordnung  ist  ganz  in  dem 
Geist  gehalten,  in  dem  auch  sonst  in  diesem  und  dem 
folgenden  Jahrhunndert  wirtschaftliche  Fragen  von  den 
Ständen  behandelt  werden.  Der  Fortschritt  von  der  Stadt 
zur  Territorialwirtschaft,  der  Zusammenschluß  des  Terri- 
toriums zu  einem  einzigen  Wirtschaftsgebiet,  der  strenge 
Abschluß  gegen  Nachbarterritorien  zur  Wahrung  der  eigenen 
Interessen  kommen  in  ihr  zum  Ausdruck.  Die  staatliche 
Erschwerung  der  Wollausfuhr  führt  Schmoller  als  das  am 
allgemeinsten  zu  beobachtende  Symptom  jener  wirtschafts- 
politischen Wandlung  an19. 

Um  das  wollene  Gewland,  das  durch  die  Wollausfuhr 
übermäßig  teuer  geworden  sei,  wieder  zu  seinem  vorigen 

16.  t.  a.  I  830,  Abschied  vom  16.  febr.  76. 

17.  cf.  Die  Verordnung  vom  10.  mai  1587,   Scotti  I    nr.  137. 

18.  Scotti  I  nr.  85. 

19.  Schmoller,  Umrisse  und  Untersuchungen  zur  Verfassungs-, 
Verwaltungs-  und  Wirtschaftsgeschichte  1898  I,  das  Merkantil- 
system etc.  p.  23,  Ueber  territoriale  Teuerungspolitik  v.  Belovv,  die 
städtische  Verwaltung  im  Mittelalter  etc.    Hist.  Zeitschrift  75. 


—  65 


Kauf  zu  bringen,  ging  der  Kurfürst  daran,  eine  Wollordnung 
für  das  ganze  Land  zu  erlassen.  Am  8.  August  1550  traten 
zum  zweiten  Mal  auf  Ausschreiben  des  Statthalters  Heinr. 
v.  Isenburg  die  Gesandten  der  Landschaft  sowie  die  Zunft- 
vorsteher und  Meister  der  Wollenweberzünfte  zusammen, 
über  einen  billigen  Kauf  der  Wolle,  gleiche  Elle  und  Ge- 
wicht, 'mit  anderen  zubehörigen  Umständen  zu  beraten20. 

Es  handelte  sich  um  das  schwierige  Problem,  den  frem- 
den Wollkäufer  nach  Möglichkeit  vom  heimischen  Woll- 
markte auszuschließen  und  doch  auch  dem  Schafzüchter 
einen  angemessenen  Preis  für  seine  Erzeugnisse  zu  sichern. 
Erschwert  wurde  diese  Frage  noch  dadurch,  daß  der  arme 
gemeine  Mannn  auf  dem  Lande  nicht  auskam,  ohne  von 
Jahr  zu  Jahr  von  den  Kaufleuten  sich  auf  die  Wolle  vor- 
strecken und  borgen  zu  lassen,  eine  Erscheinung,  die  im 
16.  Jahrhundert  allgemein  zu  beobachten  ist21. 

Die  Ordnung  löste  ihre  Aufgabe  nicht  ungeschickt, 
namentlich  wurde  der  Vorkauf,  den  man  nun  einmal  als 
ein  unvermeidliches  Uebel  ansah,  in  einer  Weise  geregelt, 
die  seine  schlimmsten  Auswüchse  in  etwa  beschneiden  mußte. 

Sie  gebot,  daß  an  jedem  Orte,  da  die  Wolle  wüchse, 
der  Amtmann  mit  Rat  seiner  Amtsverwandten,  die  er  dazu 
schicklich  erachte,  alljährlich  einen  billigen  Normalpreis  für 
die  Wolle  festsetze,  für  welchen  den  Webern  die  Wolle 
abgelassen    werden    müsse  in  der  Zeit  vom  1.  Mai  bis 

20.  cf.  des  Temporale  Eb.  Johanns  v.  Isenberg  St.  A.  A.  I  i,  32 
n.  232-234. 

21.  cf.  v.  Bezold,  Gesch.  d.  deutsch.  Reformation  p.  452.  —  Ueber 
die  zunehmende  Verschuldung  des  Bauernstandes  in  den  Mosel- 
gegenden seit  Ausgang  des  Mittelalters,  Lamprechts  Wirtschafts- 
leben I,  I,  624.  —  Hanstein,  Wirtschaftliche  Lage  und  soziale  Be- 
wegung im  Kf.  Trier  während  des  Jahres  1525.  Dissertation  T907.  — 
Gothein,  Die  Lage  des  Bauernstandes  am  Ende  des  Mittelalters, 
vornehmlich  in  Süd  Westdeutschland.    Westdeutsche  Ztsch.  4. 


—    66  — 


Johannistag  (24.  juni).  Was  dann  noch  übrig  ist,  mag 
verkauft  werden  wohin  e|s  will. 

Weil  nun  aber  der  arme  Mann  auf  dem  Land  ohne 
Borg  und  Verkauf  nicht  auskommen  könne,  sollten  die  Weber 
die  Orte  im  Land,  wo  die  Wolle  wächlst,  unter  sich  aus- 
teilen. Nach'  dem  Entwurf  sollten  die  Städte  Coblenz,  Bop- 
pard, Montabaur  die  Wolle  in  den  zugehörigen  Pflegen, 
ferner  in  dem  Lande  zwischen  Maien,  der  Nette  und  Mosel 
und  im  Galgenscheider  Gericht  (bei  Boppard)  zu  sich  neh- 
men, die  Städte  Trier  und  Wesel  sowie  dje  übrigen  Wollen- 
weber den  Rest.  Die  eigentliche  Ordnung  überläßt  die 
Austeilung  den  Webern.  In  diesen  Bezirken  nun  haben  die 
Weber  eigene  Faktoren  und  Besteller  zu  ernennen,  also 
Makler,  an  die  sich  der  darlehnsbedürftige  Bauer  zu  wenden 
hat22.  Der  Vorkauf  an  fremde,  der  bisher  überwiegend 
oder  aliein  üblich  war,  wird  gänzlich  verboten. 

Weiter  beschäftigt  sich  die  Ordnung  mit  einer  Rege- 
lung der  Maß-  und  Gewichtsverhältnisse.  Für  Stoffe  soll 
fortan  im  ganzen  Stift  nur  noch  die  stadttrierische  Elle,  jedoch 
ohne  das  übliche  Vorschlagen  des  Daumens,  benutzt  werden. 

Ebenso  wird  für  die  Wolle  als  einheitliches  Gewicht 
das  stadttriersche  Silberpfund  eingeführt. 

Geschworene  Wieger  werden  in  allen  Städten  des 
Landes  angestellt,  bei  denen  die  Wolle  gewogen  werden 
muß.  Wo  die  Dörfer  allzuweit  abliegen,  sollen  auch  in 
ihnen  nach  Gutdünken  der  Obrigkeit  Gewichte  an  Schult- 
heiß, Vogt  oder  Meier  ausgeteilt  und  die  Wolle  daselbst 
gegen  gebührliche  Belohnung  gewogen  worden. 

Von  dieser  einen  Wollordnung  abgesehen  kehrt  in  den 
Landtagsverhandlungen  nur  noch  die  Judenfrage,  diese  aller- 


22.  Nach  dem  Brief  vom  16.  aug.  1550,  im  Temporale  Eb. 
Johannes  nr.  233  scheinen  Weberzünfte  nur  in  Trier,  Koblenz, 
Boppard,  Oberwesel,  Montabaur  u.  Limburg   bestanden  zu  haben. 


—    67  — 


dings  mit  zäher  Hartnäckigkeit  durch  Jahrhunderte  hin- 
durch immer  wieder. 

Seit  den  großen  Verfolgungen  im  16.  Jahrhundert 
und  ihrer  völligen  Austreibung  im  Jahre  1419  haben  die 
Juden  keine  wirtschaftliche  Bedeutung  mehr  im  Erzstift  er- 
langt23. Geblieben  war  seit  jener  Zeit  der  tiefeingewurzelte 
Judenhaß.  Es  gelang  auf  die  Dauer  nicht,  sie  fern  zu 
halten,  der  Judenzins,  den  sie  dem  Landesherren  zahlten, 
lockte  diesen  stets  von  neuem,  sie  trotz  der  lebhaften 
Opposition  der  Bevölkerung  in  Schutz  zu  nehmen.  So  setzte 
Richard  Greifenclaw  gegen  die  Beschwerde  von  Rat  und 
Bürgermeister,  die  er  dann  durch  einen  Anteil  am  Juden- 
zins zu  beschwichtigen  wußte,  fünf  Judenfamilien  (Haus- 
gesesse) in  Koblenz  an  und  gab  ihnen  eine  Ordnung24. 
Besondere  Privilegien,  namentlich  Zollfreiheit  zu  Koblenz, 
trugen  natürlich  nicht  dazu  bei,  diese  Maßnahme  populär 
zu  machen.  Die  allgemeine  Volksstimmung  und  das  Geld- 
interesse des  Landesherren  standen  sich  in  diesem  Punkte 
von  jeher  schroff  gegenüber. 

Die  Stände  beklagen  sich  1556,  die  Menge  der  Juden 
habe  s.  ch.  gn.  Untertanen  Schaden  und  Verderben  ge- 
bracht, und  dieser  verspricht,  sie  nach  einer  gewissen  Zeit, 
die  ihnen  zur  Eintreibung  ihrer  ausstehenden  Schulden  dienen 
soll,  aus  dem  Erzstift  zu  treiben25.  Es  ist  aber  nicht  dazu 
gekommen  und  1564  verpflichtet  er  sich  ,,auf  fleißige  und 


23.  Ueber  die  Juden  im  Mittelalter,  Lamprechts  Wirtschafts- 
leben I  2  p.  1449—58.  Daselbst  zahlreiche  Nachweise.  —  Ueber 
den  allgemeinen  Judenhaß  in  den  rheinischen  Gebieten  zur  Zeit 
des  Bauernkrieges  v.  Bezold,  Reformationsgesch.  p.  489. 

24.  Scotti  I  nr,  52. 

25.  cf.  Den  Abschied  im  t.  a.  I  859fr.  Noch  1555  hatte  der 
Eh.  den  Juden  zugestanden,  alle  privatrechtlichen  Streitigkeiten 
untereinander  vor  dem  Rabbiner  auszutragen,  in  demselben  Jahre 
hat  er  aber  auch  von  allen  eine  besondere  Schätzung  erhoben. 
Scotti  1  nr.  qi,  92. 


68  - 


undertenige  bitt  der  Stenden"  von  neuem,  die  Juden  im 
Stift  nach  Ablauf  von  zwei  Jahren  auf  6—8  Häuser  zu 
ringern  und  ihnen  gewisse  Maß  und  Ordnung  zu  geben26. 
1566  beschäftigt  die  Sache  wieder  den  Landtag.  Der  Eb„ 
gesteht  seinen  Unntertanen  zu,  daß  sie  ein  Jahr  lang  keinem 
Juden  Wucher,  will  wohl  sagen  Zinsen,  zu  geben  schuldig 
seien.  Ueber  zwei  Jahre  will  er  dann  ihre  Wohnungen 
bis  auf  vier  oder  fünf  Häuser  aufkündigen27.  Die  nächsten 
Abschiede  vermelden  nun  nichts  mehr  hierzu,  doch  wird 
die  Räumung  innerhalb  vierer  Monate  erst  durch  Erlaß 
vom  2.  August  1580  befohlen28.  Am  10.  Juni  1583  wird 
die  Aufkündigungsfrist,  welche  auf  Antrag  der  Landstände 
auf  bevorstehendem  Johannistag  erfolgt  sei,  bis  zum  Ge- 
orgstag 1584  verlängert.  1589  wird  auf  die  landständische 
Beschwerde  hin,  daß  sich  trotz  der  früheren  landesherr- 
lichen Befehle  hin  Juden  an  mehreren  Orten  niedergelassen 
hätten,  ihnen  nochmals  eine  dreimonatliche  Frist  gesetzt 
und  1592  werden  etliche  Juden,  die  trotz  der  Proskription 
sitzen  geblieben  sind,  außer  Gesetzes  erklärt  und  mit  Hab 
und  Gut  der  Plünderung  anheimgegeben29.  Das  zähe 
Geschlecht  hat  sich  dadurch  nicht  ausrotten  lassen,  1618 
erläßt  Eb.  Lothar  wieder,  um  den  fortwährenden  Beschwer- 
den und  Klagen  der  Landstände  zu  begegnen,  eine  neue 
Judenordnung30. 


26.  Abschied  t,  a.  I  812. 

27.  t.  a.  I  246. 

28.  Scotti  I  nr.  124. 

29.  Scotti  I  nr.  128,  143. 

30.  Das.  nr.  180. 


IV.  Die  ständischen  Steuern. 


Außerordentliche  Beiträge  der  weltlichen  Untertanen 
des  Erzbischofs  sind  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIII. 
Jahrhunderts  chronistisch  bezeugt1.  Doch  bleiben  jene 
Nachrichten  durchaus  vereinzelt2.  Wir  haben  verfolgen 
können,  wie  neben  den  alten  Subsidien  der  Geistlichkeit 
am  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  auch  eine  Besteuerung 
der  weltlichen  Stände  einsetzt,  für  die  vom  Jahre  1542 
ab  die  Landtagsabschiede  eine  ziemlich  gleichmäßig  fließende 
Quelle  liefern. 

Die  landständischen  Steuern  waren  außerordentliche 
und  bedurften  als  solche  stets  der  Bewilligung  der  Stände. 
Ein  hülflich  und  stattlich  schank  werden  sie  genannt.  Der 
Landesherr  erkannnte  an  sich  die  Verpflichtung  an,  mit 
seinen  ordentlichen  Einnahmen,  der  Beede,  den  Zöllen,  den 
Einkünften  aus  dem  Kammergut,  usw.  seine  und  des  Landes 
Bedürfnisse  zu  befriedigen,  er  betont  gelegentlich  in  der 
Proposition,  daß  sein  Kammergut  so  erschöpft  sei,  daß 
er  es  nicht  weiter  belasten  könne3.  Einen  wesentlichen 
Fortschritt  gegen  den  mittelalterlichen  Schatz  bedeutet  es, 


1.  cf.  M.  G.  SS.  XXIV,  40Q.  ecclesie  quoque  et  civitates... 
voluntarium  subsidium  sibi  impenderunt  unter  Eb.  Arnold  1245  —  59. 
—  Ueber  seinen  Nachfolger  Heinrich  (1260 — 86):  quasdam  exactiones 
fecit  fieri  per  omnes  villas  sibi  subjugatas,   Wittenbach  II  p.  107. 

2.  cf.  Weiß,  Die  ordentlichen  direkten  Staatssteuern  von 
Kurtrier  im  Mittelalter.    Dissertation  Münster  1893  p.  30. 

3.  cf.  Die  Proposition  zum  Landtag  am  29.  nov.  1548. 
Honth.  II,  735,  ldst.  Vrf.,  III.  Kap.  II  p.  joft. 


—     70  r- 


daß  nicht  mehr  das  private  Interesse  des  Landesherren 
allein  maßgebend  ist  bei  der  Verwendung  der  erhobenen 
Steuer,  sondern  daß  beide  Teile  diese  nur  fordern  und 
bewilligen  zu  Nutz  und  Wohl  des  Landes,  auch  schon  mit 
modernerem  Ausdruck  des  „Vaterlandes"4. 

Die  Hauptlast  im  XVI.  Jahrhundert  bildeten  indes  nicht 
die  Land-,  sondern  die  Reichssteuern. 


1.    Matrikularumlage  und  gemeiner  Pfennig5. 

Seit  man  während  der  Hussitenkriege  dem  Gedanken 
einer  Reichssteuer  näher  getreten  war,  schwankte  man 
zwischen  zwei  Formen,  einer  direkten  Reichssteuer,  dem 
gemeinen  Pfennnig  und  der  auf  die  reichsunmittelbaren  Ge- 
walten verteilten  Matrikularumlage6. 

Erst  infolge  der  Reichsreformbestrebungen  am  Ende 
des  XVI.  Jahrhunderts  ging  man  auch  daran,  mit  dem  ge- 
meinen Pfennig  Ernst  zu  machen,  der  wormser  Reichstag 
von  1495  schrieb  auf  alle  Untertanen  des  Reichs,  unmittel- 
bar oder  nicht,  eine  Steuer  aus,  die  wie  eine  Kopfsteuer 
;wirkte,  mit  geringen  Ansätzen  zu  einer  Kapital-  und  Renten- 
steuer7. Der  Erfolg  erwies  sich  als  äußerst  gering.  Bereits 
auf  dem  Reichstag  zu  Coblenz  1492  klagte  der  reform- 
freundliche Erzbischof  von  Mainz:  hat  man  einen  Anschlag 
gemacht,  so  tut  der  eine  hülf,  der  andere  gar  nicht  und 


4.  cf.  das.  III  p.  80. 

5.  cf.  Grünhuts  Zeitschrift  für  das  Privat-  und  öffentliche  Recht 
der  Gegenwart  1875  Bd.  II  p.  166,  Schulz,  Das  Finanzrecht  der 
Reichs-  u.  Landtage. 

6.  Der  erste  gemeine  Pfennig  wird  zugleich  mit  einer  Matrikel, 
auf  dem  Nürnberger  Reichstag  von  1422  zur  Verhandlung  gebracht, 
man  hielt  aber  an  den  Kontingenten  fest.  1427  bewilligte  man  in 
Frankfurt  auch  einen  gemeinen  Pf. 

7.  Neue  Sammlung  II  p.  15  fr.    Schroeder  R.  G.4  838. 


wird  ihnen  nachgesehen,  von  dritten  nimmt  man  das  halbe 
Geld,  so  kommt  einer  heut,  der  andre  morgen,  oder  über 
ein  halb  Jahr8.  Mit  dem  gemeinen  Pfennig  ging  es  noch 
viel  schlimmer.  1497  wird  die  Erlegung,  die  ursprünglich 
vier  Jahre  lang  hintereinander  stattfinden  sollte,  nochmals 
beschlossen,  weil  mittlerweile  nichts  eingekommen  ist9, 
1498  ist  das  „merer  teil"  immer  noch  nicht  erlegt.  1500 
kommt  es  zu  einem  neuen,  ebenso  interessanten  wie  erfolg- 
losen Steuerentwurf  auf  sechs  Jahre,  1505  mochte  der  Reichs- 
tag endlich  die  Undurchführbarkeit  seiner  Pläne  einsehen, 
er  erläßt  den  Ständen  den  gemeinen  Pfennig  und  den 
Anschlag  von  150010. 

1512  kam  man  auf  den  gemeinen  Pfennig  von  1495 
wieder  zurück,  der  aber  jetzt  in  ungleich  stärkerem  Maße 
den  Charakter  einer  Vermögenssteuer  trägt.  1495  sollte 
jeder  Mensch  über  15  Jahre,  der  unter  50  gd.  Vermögen 
hat  1/24  gd.  steuern,  500—1000  gd.  waren  auf  1/2  gd., 
1000  gd.  Vermögen  auf  1  gd.  veranlagt,  wer  mehr  hatte, 
sollte  soviel  geben,  als  seine  „Andacht"  sei. 

Renten  wurden  zu  5  pCt.  kapitalisiert. 

1512  war  hingegen  eine  fortschreitende  Quote  von  50 
bis  20  000  gd.  Vermögen  angesetzt,  der  eine  Steuer  von 
1  Kreutzer  bis  3  Gulden  entsprach,  jedoch  sollte  das  Kam- 
mergut der  Stände  und  der  Adel  diesmal  steuerfrei  sein11. 

1518  wurde  wieder  ein  reines  Kopfgeld  ausge- 
schrieben12. 

Endlich  lebte  der  gemeine  Pfennig  nochmals  in  den 
Jahren  1542  und  1544  auf,  als  eine  reine  Vermögenssteuer. 
Er  sollte  gleichmäßig  von  allen  Einnahmen  des  Reiches,  auch 


8.  Lager,  Johann  II  p.  78. 

9.  Neue  Sammlung  (N.  S.)  p.  30. 

10.  N.  S.  Ii  p.  42,  60,  67,  103. 

11.  N.  S.  II  138. 

12.  N.  S.  II  170. 


72  — 


den  Unmittelbaren,  dem  Adel,  den  Domkapiteln  erlegt 
werden  und  zwar  als  der  zehnte  Pfennig  vom  Gesamtein- 
kommen. Sämtliche  bewegliche  und  unbewegliche  Habe 
mit  Ausnahme  von  Hausrat,  Harnisch,  Munition  usw.,  auch 
Renten  und  sonstige  Einkünfte  sollten  dabei  kapitalisiert 
und  eine  fünfprozentige  Rente  dieses  Kapitals  als  ver- 
steuerbares Einkommen  gerechnet  werden.  Jeder  hatte  sich 
selbst  einzuschätzen  und  das  Geld  in  die  geordnete  Kiste 
zu  werfen.  Die  Pfarrer  sollten  von  den  Kanzeln  zur  Ehr- 
lichkeit mahnen.  Juristische  Personen,  wie  Städte  und 
Zünfte,  wurden  gleichfalls  in  die  Steuer  einbezogen.  Die 
doppelte  Veranschlagung  der  Juden,  die  zu  dem  noch  ein 
Kopfgeld  von  einem  Gulden  zahlen  mußten,  kann  in  dieser 
Zeit  nicht  weiter  überraschen13. 

Der  Reichstag  von  1544  beschloß,  zum  zweiten  Mal 
einen  gemeinnen  Pfennig  wie  42  als  Offensivhilfe  und  außer- 
dem eine  Defensivhilfe  als  Matrikularumlage  zu  erheben14. 
Der  gemeine  Pfennig  soll  an  den  Orten  und  Enden,  da  er 
eingebracht  ist,  von  den  Ständen  zu  einem  zukünftigen  Vor- 
rat beieinander  gehalten  werden15  (Reichstagsbeschluß  von 
1545).  1548  zu  Augsburg,  auf  dem  Höhepunkte  seiner 
Macht,  forderte  der  Kaiser  auch  den  gemeinen  Pfennig  von 
1544  ein,  wo  er  nicht  eingezogen  oder  andershin  verwendet 
sei,  solle  er  von  neuem  erhoben  werden16.  Fortan  ver- 
schwindet er  vollständig  von  der  Bildfläche. 

Der  gemeine  Pfennig  sollte  als  eine  direkte  Reichssteuer 
jedes  einzelne  Glied  des  Reichs  treffen,  der  Fürst  und 
Prälat  mußte  seine  Güter  so  gut  anschlagen  wie  der  Bürger 
und  Bauer.  Es  war  namentlich  von  Bedeutung,  daß  so 
auch  der  niedere  Adel  zur  Steuer  herangezogen  wurde, 


13.  N.  S.  II  453ff- 

14.  N.  S.  II  500fr. 

15.  N.  S.  II  520. 

16.  N.  S.  II  544. 


der,  in  jedem  Territorium  ohne  entsprechende  Gegen- 
leistungen bevorrechtet,  in  manchen  gar  nichts  beitrug  zu 
den  staatlichen  Lasten,  teilweise  auch,  wie  im  Elsaß,  gar 
keine  andere  staatliche  Hoheit  über  sich  kannte  als  eben 
das  Reich.  In  der  Tat  hat  auch  der  gemeine  Pfennig  von 
1542  und  1544  die  unmittelbare  Folge  gehabt,  daß  in  Schwa- 
ben, in  Franken  und  am  Rhein  sich  eine  Reichsritterschaft 
konstituierte,  die,  zwar  unter  noch  jämmerlicheren  Um- 
ständen als  die  Reichsfürsten,  doch  auch  späterhin  dauernd 
dem  Kaiser  steuerte.    Darüber  unten  mehr. 

Aber  der  gemeine  Pfening  an  sich,  dessen  Durchführung 
von  unabsehbaren  Folgen  für  die  Entwicklung  des  Reichs 
hätte  werden  können,  scheiterte  nicht  minder  wie  die  Pläne 
einer  Reichszollgrenze  oder  einer  allgemeinen  Aushebung 
an  dem  deutschen  Partikularismus  und  dem  Mangel  jeg- 
licher Exekutive.  Die  Regierungsgewalt  lag  schon  längst 
nicht  mehr  in  denn  Händen  des  Kaisers,  sondern  der  Ter- 
ritorialherren, und  da  die  Türkennot  nun  Reichssteuern  ein- 
mal unabwendbar  machte,  stützten  sich  diese  —  seit  1551 
endgültig  —  in  der  Form  der  Matrikularumlage  auf  die 
Subkollektur  der  vielen  staatlichen  Gebilde  des  Reichs.  Sie 
basierte  seit  1521  auf  der  wormser  Matrikel,  die  für  den 
geplanten  Romzug  Karls  V.  aufgestellt  war.  In  den  meisten 
Fällen  wurde  aber  nicht  direkte  Gestellung  von  Mannschaften, 
sondern  eine  entsprechende  Geldsumme  bewilligt,  indem 
ein  jeder  Fußknecht  auf  4,  jeder  Reiter  auf  10,  später  12 
gd.  veranschlagt  wurde.  Ein  ganzer  Römerzug  betrug  sechs 
Monate.  Chur-Trier  war  auf  60  zu  Roß  und  277  zu  Fuß 
veranschlagt.  1545  wurde  es  um  20  zu  Roß  und  73  zu 
Fuß,  1582  durch  kaiserliches  Dekret  wegen  der  Loslösung 
der  Ritterschaft  vom  Territorium  nochmals  um  V3  auf 
262/3  zu  Roß  und  1222/a  zu  Fuß  moderiert,  bis  der  Prozeß 
entschieden  sei17. 


17.  cf.  R.  R.  VIII  5,  Moser,  Staatsrecht,  p.  62  §  10. 


—    74  — 


Für  die  Matrikularbeiträge  war  der  Landesherr  allein 
haftbar  und  an  sich  verpflichtet,  sie  aus  seinen  Einkünften 
zu  leisten.  Noch  1530  heißt  es  im  Reichstagsabschiede: 
und  dieweil  diese  eilende  hülf  gegen  den  Türken  etwas 
dapfer  und  groß,  und  ein  gemein  christlich  gut  werk  est, 
welches  männiglichem  zu  schütz  und  trost  kommt,  soll  und 
mag  ein  jeder  churfürst,  fürst  und  stand  seine  Untertanen 
um  hülf  und  Steuer  ersuchen18.  1543  geht  der  Reichstag 
schon  weiter:  weil  es  den  Ständen  unmöglich  und  be- 
schwerlich sein  möchte,  solche  hülfe  rein  ihren  eigenen 
Kammergütern  zu  leisten,  soll  eine  jede  Oberkeit  alle  ihre 
Untertanen,  die  sie  herkömmlich  besteuert,  mit  einem  ge- 
meinen Pfennig  oder  durch  eine  sonstige  Steuer  nach  Be- 
lieben belegen,  gleichfalls  sollen  die  Domkapitel  und  ihre 
Untertanen,  ungeachtet  aller  Privilegien  und  Verträge, 
ihrem  Bischof  Beihilfe  leisten,  doch  auch  die  Oberkeiten 
sich  selbst,  gleichermaßen  wie  die  Untertanen,  angreifen15'. 
Durchgreifend  in  dieser  Richtung  ging  der  Reichstag  von 
1548  weiter  vor.  Zu  dem  in  Augsburg  in  diesem  Jahre 
bewilligten  Romzug  (Matrikularumlage)  sollte  jede  Obrig- 
keit Macht  habe,  ihre  Untertanen,  geistliche  und  weltliche, 
sie  seien  exempt  oder  nicht  exempt,  gefreiet  oder  nicht 
gefreiet,  mit  der  Reichssteuer  zu  belegen20.  Man  suchte 
also  damit  das  Hauptprinzip  des  gemeinen  Pfennigs,  daß 
er  eben  eine  Steuer  war,  die  jeden  Reichsangehörigen  traf, 
in  der  Weise  zu  retten,  daß  man  nur  die  direkte  Besteue- 
rung dabei  fallen  ließ  und  an  ihre  Stelle  eine  Subkollektur 
der  Landesherren  setzte.  Es  war  nur  die  Frage,  wieweit 
die  privilegierten  Klassen  in  den  Territorien  bereit  waren, 
diesem  Kompromiß  ihre  ständischen  Vorrechte  zu  opfern 
und  da  zeigte  es  sich,  daß  diese  überall  an  dem  Rechte 


18.  Neue  Sammlung  II  324  §  118. 

19.  Daselbst  p.  486m  §  ig,  24. 

20.  Neue  Sammlung  II  544  §  95. 


—    75  — 


festhielten,  auch  die  Reichssteuern  nicht  ohne  eigene  Be- 
willigung zu  übernehmen. 

Wie  der  gemeine  Pfennig  die  Bildung  der  drei  Ritter- 
kreise einleitete,  so  wurde  er  auch  in  Kur -Trier  der  Aus- 
gangspunkt für  die  Loslösung  der  Ritterschaft  von  der  land- 
ständischen Verfassung  und  von  dem  Territorium  über- 
haupt. Die  lebhafte  Wechselwirkung  zwischen  Reichs-  und 
Territorialgeschichte  machte  es  notwendig,  auch  die  Ent- 
wicklung der  Reichssteuern  etwas  eingehender  zu  erörtern. 

2.    Die  Trierischen   Landstände  und  der  ge- 
meine Pfennig. 

Auch  wenn  alle  1495  in  Worms  versammelten  Reichs- 
stände die  Absicht  gehabt  hätten,  den  gemeinen  Pfennig 
ernstlich  durchzuführen,  war  es  doch  sehr  fraglich,  ob  es 
ihnen  gelungen  wäre,  den  Widerstand  ihrer  Landstände 
zu  brechen21.  Ganz  abgesehen  von  allen  berechtigten  Be- 
denken, welche  diese  gegen  den  gemeinen  Pfennig  hegen 
mußten,  lag  den  Territorien  mit  ihrer  Kirchturmspolitik  auch 
jeder  Gedanke  an  die  Stärkung  der  Reichsgewalt  fern,  im 
Gegenteil,  die  trierschen  Stände  spielten  diese  Befürchtung 
geschickt  gegen  ihren  Kurfürsten  aus,  als  er  mit  jenem 
Reichstagsbeschluß  an  sie  herantrat.  Sie  stellten  ihre  Ein- 
wendungen in  einer,  durch  ihr  Alter  für  unser  Territorium 
bemerkenswerten  undatierten  Denkschrift  zusammen,  be- 
titelt „etliche  bedenken  der  trierschen  städe  (-Stände)  wa- 
rum b  die  gefordert  Schätzung  nit  zu  willigen  noch  zu 
legen"22. 


21.  Daß  bereits  1427  die  Geistlichen  wider  die  Hussiten  ge- 
steuert haben,  ist  im  Buch  der  Anschläge  bezeugt,  wahrscheinlich 
ist  also  der  damals  zum  ersten  Mal  in  Frankfurt  bewilligte  gem.  Pf. 
wirklich  erhoben  worden. 

22.  St.  A.  t.  1.  acta  miscellanea. 


—    76  — 


Wenn  die  königliche  Majestät  nach  der  Lombardei  ge- 
zogen sei,  so  führt  die  Denkschrift  aus,  ginge  das  die  deutsche 
Nation  nichts  an,  die  Lombarden  hätten  auch  kein  Geld 
noch  Leute  geschickt,  wenn  die  deutsche  Nation  Not  ge- 
habt hätte,  wohl  hätten  die  Leute  wider  sie  geschickt.  Das 
Erzstift  hätte  schon  genug  Beschwernis  gehabt  mit  königl. 
und  kaiserl.  Majestät  Reisen  und  Zügen,  der  es  noch  nicht 
entledigt  sei.  (Wohl  mit  Bezug  auf  die  Neußer  Fehde 
und  die  Zusammenkunft  mit  Karl  dem  Kühnen  in  Trier.) 
Wenn  der  gemeine  Pfennig  jetzt  der  kaiserlichen  und  könig- 
lichen Majestät  zugelassen  werde,  wolle  sie  ihn  hernach- 
mals  auch  haben,  und  wenn  das  geschehe,  hätte  ein  Erz- 
bischof  nicht  mehr  zu  leben,  die  Untertanen  würden  als- 
dann der  kaiserl.  und  königl.  Majestät  Untertan  und  gäben 
dem  Erzbischof  keine  ordentlichen  Gefälle,  Renten  und  Zinsen 
mehr. 

Wenn  die  Stände  weiter  ausführen  sie  hätten  keine 
Gewißheit,  daß  der  gemeine  Pfennig  an  allen  Enden  deut- 
scher Nation  wirklich  gehoben  würde,  ferner,  etliche  möchten 
ihn  nur  zu  eigenem  Nutzen  einnehmen,  so  sollte  ihnen  die 
Folge,  namentlich  auch  die  Ereignisse  im  Jahre  1548  darin 
nur  zu  recht  geben. 

Die  unvermeidliche  „alte  löbliche  Freiheit"  des  Stifts 
wird  natürlich  auch  gegen  die  neue  Reichssteuer  ins  Ge- 
fecht geführt.  Die  Denkschrift  schließt  mit  einem  Bekennt- 
nis für  die  Matrikel:  so  vom  heiigen  riche  ein  gemeiner 
zoecke  wider  die  ungleubigen  wurde  vorgenommen  oder 
zv  entheltnis  der  duitscher  nation,  und  uwer  gnaden  wurde 
ufgesatzt  als  aime  loblichen  Kurfürsten  zo  reißen  mit  anderen, 
si  uwer  gn.  staede  gutwillig,  uwern  gnaden  zo  dienen  mit 
libe  und  gude  in  maessen  wie  die  vuraltern  uwer  gnaden 
vurfaren  vormails  in  glichen  ye  und  ye  getain  hain."  Dabei 
ist  es  denn  geblieben.  Auch  in  dem  Privileg  von  1501  ver- 
pflichten die  Stände  den  Kurfürsten  ausdrücklich,  er  solle 
beim  Kaiser  vorstellig  werden,  daß  er  die  jetzt  im  Stift 


77  - 


aufgerichtete  Schätzung  abstelle.  Der  gemeine  Pfennig  von 
1512  ist  nach  dem  Buch  der  Anschläge  in  Trier  erhoben 
worden.  Er  verdient  insofern  seinen  Namen  nicht  ganz, 
als  Fürsten  und  Herren  davon  befreit  waren,  der  Adel 
sollte  nur  seine  Untertanen  besteuern.  Die  Anlage  von 
1518  hat  wegen  dem  Tode  des  Kaisers  keinen  Fortgang 
genommen"  (B.  d.  A.). 

1542  ist  dann  der  gemeine  Pfennig  wirklich  in  der 
Weise  durchgeführt  worden,  wie  man  ihn  sich  dachte. 
Grafen,  Herren  und  Ritterschaft  zeigten  sich  anscheinend 
ohne  Widerstreben  dazu  bereit,  obwohl  sie  „bis  anhno 
soliches  und  dergleichen  Anlage  freigestanden,  dargegen  sie 
aber  im  fall  der  Notdurft  mit  dem  Leib  zu  dienen  allzeit 
erbötig  gewesen  und  noch  seien".  Auch  das  Domkapitel, 
das  sonst  ebenfalls  Steuerfreiheit  beanspruchte,  willigte  dies- 
mal ein.  Der  Kurfürst  gab  die  Versicherung,  „daß  diese 
Anlage  so  diesmal  auf  alle  Stände  des  Reichs  geschlagen, 
den  gefreiten  Ständen  keinen  Eintrag  bringen  solle".  Diese 
ernennnen  auch  wie  die  anderen  Stände  neben  dem  Kur- 
fürsten ihre  Obereinnnehmer,  die  für  ihr  Geschäft  ver- 
eidigt und  zu  gunsten  des  Reichs  ihrer  Eide  und  Pflichten 
gegen  den  Kurfürsten  ledig  gezählt  werden23. 

Es  sollte  der  einzige  gemeine  Pfennig  bleiben, 
der  auch  insofern  seinen  Zweck  erfüllte,  daß  er  wirklich 
abgeliefert  wurde,  wenn  auch  unter  Schwierigkeiten.  Die 
Obereinnehmer  fuhren  mit  ihrer  Truhe  von  Koblenz  aus 
zu  Schiff  nach  Mainz.  Da  aber  die  anderen  drei  rheini- 
schen Kurfürsten  ihre  Gelder  noch  nicht  abgeliefert  hatten, 
kehrten  sie  wieder  nach  Koblenz  zurück.  Erst  als  jene 
gleichfalls  bereit  waren,  fuhren  sie  zum  zweiten  Mal  nach 
Mainz,  wo  man  nun  alle  vier  Truhen  zusammenschüttete-1. 

23.  Abschied  zu  Cochem  1542,  t.  1.  V.  Ordnung  des  gem.  Pf. 
Scotti  I  nr.  87. 

24.  cf.  t.  a.  1  773. 


-    78  — 


Auch  1544  willigte  die  Ritterschaft  in  die,  als  gemeiner 
Pfennig  gedachte  Offensionshilfe.  Diese  kam  auch  ein25, 
aber  dann  beschloß  der  Reichstag  von  1545,  daß  sie  von 
den  Reichsständen  an  den  Ecken  und  Enden,  da  sie  ein- 
gebracht sei,  in  Vorrat  gehalten  werden  soll26.  1548  be- 
schloß dann  der  Reichstag,  wer  denn  letztbewilligten  ge- 
meinen Pfennnig  noch  nicht  eingezogen  oder  ihn  anders 
wohin  verwendet  habe,  solle  ihn  von  neuem  von  seinen 
Untertanen  fordern27.  1551,  als  der  Kaiser  den  Zug  gegen 
Magdeburg  plante,  wurde  dieser  Beschluß  erneuert  und 
zwei  Lieferungstermine,  aug.  51  und  52  festgelegt28.  Die 
Fürsten  gerieten  dadurch  in  nicht  geringe  Verlegenheit.  Der 
Kurfürst  von  Trier  hatte  1546,  als  der  Graf  von  Beuren 
den  Rhein  hinaufzog,  den  vier  Obereinnehmern  die  Schlüssel 
abverlangt  und  gegen  eine  schriftliche  Rekognition  (20.  aug. 
1546)  die  Truhe  auf  den  Ehrenbreitstein  in  Verwahr  genom- 
men. Jetzt  waren  die  Gelder  auf  einmal  verschwunden29.  Der 
Kurfürst  forderte  dem  Reichstagsbeschluß  gemäß  den  ge- 
meinen Pfennig  nochmals  ein.  Die  Antwort  der  Stände  ließ 
sich  voraussehen :  den  gemeinen  Pfennig  hätten  sie  schon  44 
erlegt,  dieses  Geld,  so  fügten  sie  harmlos  hinzu,  möchte  nicht 
länger  in  Vorrat  gehalten,  sondern  ausgeliefert  werden30 
(23.  mai  51,  Zell).  Auf  einem  neuen  Landtag  (10.  juny  51) 
geben  die  Stände  soweit  nach,  daß  sie  zahlen  wollen,  wenn 
alle,  die  den  gemeinen  Pfennig  1544  erlegt  hätten,  d.  h. 
auch  die  Ritterschaft,  mitsteuern  würde.  Diese  willigt  schließ- 
lich ein,  dasselbe  leisten  zu  wollen  wie  der  Adel  in  Pfalz 
und  Mainz31,  der  aber  damals  sich  schon  zum  rheinischen 


25.  Abschied  von  1544.    R.  R.  Kanton  Mittelrhein  i. 

26.  Neue  Sammlung  p.  5T9  §  12. 

27.  Das.  p.  545  §  103. 

28.  Das.  p.  613  §  20,  21,  102. 

29.  t.  a.  I  773. 

30.  t.  1.  VII. 

3T.  Jörg  v.  d.  Leven  an  Jörg  v.  Elz.    R.  R.  II  8. 


—    79  - 


Ritterkreis  zusammen  geschlossen  hatte.  Anfang  52  teilte 
ihnen  denn  auch  der  Erzbischof  in  einem  gedruckten  Missive 
mit,  er  habe  Nachrichten  von  Pfalz  und  Mainz  erhalten,- 
daß  sie  schon  den  ersten  Termin  von  ihren  Untertanen 
eingebracht  hätten,  der  Kaiser  habe  ihm  schon  zum  zweiten 
Mal  geschrieben,  sie  sollten  also  nicht  länger  säumen  ihre 
Gebühr  zu  erlegen.  Jeder  Adlige  bekommt  in  dem  an 
ihn  gerichteten  Ausschreiben  einen  besonderen  Tag  ange- 
setzt, an  dem  er  abliefern  soll32. 

Wirklich  eingekommen  ist  der  gemeine  Pfennig  nicht 
mehr.  Die  Proposition  zum  Landtag  zu  Zell  (30.  Apr.  52) 
verlangt  nochmals  eine  Unterredung  der  Stände  hierüber, 
da  das  Geld  ,aus  etlichen  Ursachen,  den  Ständen  bewußt 
noch  nicht  erlegt  sei.  Mittlerweile  trat  dann  die  bekannte 
Wendung  vor  Magdeburg  ein,  und  damit  war  das  Schick- 
sal des  letzten  gemeinen  Pfennigs,  der  nicht  allein  den 
Trierer  Erzbischof  in  so  peinliche  Verlegenheit  gebracht 
hatte33,  besiegelt. 

3.    Stände  und  Matrikularumlage. 

Für  die  Matrikularbeiträge  war  der  Landesherr  allein 
haftbar.  Die  Stände  stellten  sich  zu  ihnen  trotz  der  Reichs- 
gesetzgebung wie  zu  jeder  gewöhnlichen  Landsteuer.  1548 
sagt  der  Kurfürst,  er  hätte  die  Reichssteuer  gern  aus  eigenen 

32.  Ausschreiben  an  Dietrich  Moor  v.  Walde.  t.  a.  I  817 
jan.  52.  Dies  war  auch  42  geübt  worden.  Ebenso  erhielten  die 
Städte,  Juden  Aemter,  bestimmte  Tage  angesetzt,  an  denen  sie  den 
Obereinnehmern  ihre  Gebühr  liefern  sollten.    Eine  Liste  t.  a.  I  767fr. 

33.  Daß  auch  Mainz  u.  Pfalz  den  44  erlegten  gemeinen 
Pfennig  nicht  mehr  hatten,  geht  aus  der  obigen  Nachricht  hervor. 
Böse  Auseinandersetzungen  hatte  der  Kurfürst  von  Köln  mit  seinen 
Ständen.  Hermann  v.  Wied  hatte,  allerdings  in  schwerster  Geldnot, 
eigenmächtig  über  die  Gelder  verfügt,  sein  Nachfolger  mußte  die 
Vorwürfe  der  Stände   über  sich  ergehen  lassen,    cf.  Wolf  p.  37  fr. 


80  - 


Mitteln  erlegt,  doch  er  könnne  die  Kosten  aus  seinem  Kam- 
mergut nicht  erschwingen31  Noch  1576  versichert  der 
Pfalzgraf  Ludwig  seinen  Untertanen,  seine  Schulden  zwängen 
ihn,  sie  zu  den  Reichssteuernn  heranzuziehen,  sonst  würde 
er  sie  aus  dem  Kammergut  bezahlt  haben35. 

In  der  ersten  Zeit  scheint  auch  der  triersche  Kurfürst 
seine  Reichssteuern  von  seinem  eigenen  Qelde  bestritten 
zu  haben,  die  Dürftigkeit  der  Quellen  läßt  freilich  keinen 
bündigen  Schluß  zu36. 

Der  erste  Beitrag  des  Landes  zur  Matrikularumlage 
läßt  sich  erst  1522  nachweisen.  Die  Landschaft  (Städte 
und  Pflegen)  bewilligte  damals  zum  Romzug  Karls  V. 
(Wormser  Matrikel  1521)  eine  Steuer  von  14  000  gd.,  eine 
Summe,  die  den  in  Geld  umgerechneten  Römerzug  gleich 
10  248  gd.  also  noch  ziemlich  erheblich  übersteigt.  Der 
Romzug,  der  in  Leuten,  nicht  in  Geld  geleistet  werden 
sollte37,  kam  dann  freilich  nicht  zustande,  aber  er  wurde, 
in  Geld  umgerechnet,  stückweise  als  Türkenhilfe  bewilligt 
(1522,  24,  26,  29)38.  Dann  war  er  aufgebracht.  Hiermit 
mag  es  zusammenhängen,  daß  erst  bei  der  Türkenhilfe 
von  1532  (1530)  der  Er^bischof  sich  wieder  an  seine  Stände 
wendet:  Der  Reichstag  hatte  eine  eilende  Türkenhilfe,  erst 
1530,  dieselbe  nochmals  1532  bewilligt,  in  Leuten  nicht  in 


34.  Hontheim  II  735. 

35.  Gothein,  Die  Landstände  der  Kurpfalz.  Zeitschrift  für  die 
Geschichte  des  Oberrheins,  1888. 

36.  1492,  16.  october.  (Reichstag  zu  Koblenz).  Maximilian 
quittiert  dem  Eb.  über  5600  gd,  zu  denen  er  1489,  ferner  über 
6500  gd,  zu  denen  er  1491  veranschlagt  worden  war,  über  2000  gd, 
die  der  Reichstag  eben  gegen  Karl  VIII.  bewilligt  hatte.  Im 
Temporale  Eb.  Johanns  nach  Lager  p.  79.  —  Hontheim  II  583 ; 
1508.  Der  Kaiser  quittiert  dem  Eb.  den  Empfang  von  7200  gd., 
zu  denen  er  1507  veranschlagt  war.    ct.  Neue  Sammlung  II  p.  104. 

37.  Buch  der  Anschläge,  Neue  Sammlung  II  p.  208,  216. 

38.  Das.  p.  245  §  12  (259),  276  §  13,  282  §  q,  296  §  16. 


—    8t  — 


Geld  zu  leisten.  Auf  Kur-Trier  entfielen  dabei  acht  Mann 
zu  Roß  und  vierzig  zu  Fuß  acht  Monate  lang  zu  unter- 
halten39. Der  Anschlag  der  Stände  hat  ganz  die  Form 
des  älteren  gemeinen  Pfennigs.  Die  Reichen  sollen  zwei 
Gulden,  die  in  mittelmäßiger  Nahrung  sitzen  1,  die  anderen 
darauf  ■1/2  gd.  zahlen,  arme  Leute  6  albus,  Dienstknechte  3, 
Mägde  2,  mindestens  aber  jeder  der  zum  Sakrament  geht 
2  alb,  Auch  soll  in  der  Weise  des  früheren  gemeinen 
Pfennigs  die  Steuer  nach  Pfarreien  von  geistlich  und  welt- 
lich, edel  und  unedel  erhoben  werden40.  Abgesehen  von 
dieser  einen  Abweichung  hat  sich  die  M atri kul a rum läge 
immer  an  das  bestehende  System  der  Landsteuern  ange- 
schlossen. 


4.    Ritterschaft  und  Landsteuern.  Das 
Beedeedikt. 

Es  war  bisher  nicht  nötig,  die  rei chs ritte rsch af tlich e 
Bewegung  in  Trier  mehr  als  flüchtig  zu  streifen.  Sie  be- 
kommt ihren  Anstoß  recht  eigentlich  von  den  ständischen 
Kämpfen  um  die  Verteilung  der  Steuern,  namentlich  den 
Reichssteuern  kommt  dabei  eine  besondere  Bedeutung  zu. 


39.  Das.  p.  322  §  101,  354. 

40.  Buch  der  Anschläge.  Daß  der  Adel  damals  tatsächlich  mit- 
gesteuert hat,  geht  ans  den  Heberegistern  der  Stadt  Koblenz  her- 
vor, wo  Dietrich  v.  Dietz  als  Edelbürgermeister  und  Junker  Frank 
v.  Cronenberg  stehen;  in  dem  Register  von  1522  fehlen  beide,  ob- 
schon  sie  bei  der  Erhebung  selbst  tätig  sind.  Die  Register  im 
Koblenzer  Stadtarchiv  (im  St.  A.)  Akten  XTX  nr.  497.  —  Für 
Jülich-Berg  ist  gleichfalls  für  das  Jahr  1532  ganz  vereinzelt  eine 
Kommunikantensteuer  bezeugt,  an  der  sich  ebenso  der  Adel  per- 
sönlich beteiligte,  cf.  Landständische  Verfassung  III  1  p.  78,  2  p.  1. 
Die  schwäbische  Ritterschaft  willigte  damals  zum  erstenmal  in  eine 
Türkenhilfe. 


—    82  — 


Eine  persönliche  Steuer  der  Ritterschaft  hat  es  in  Trier 
nicht  gegeben.  Auszuscheiden  ist  dabei  der  gemeine  Pfen- 
nig von  1542  und  1544.  Abgesehen  davon  läßt  sich  nur 
bei  der  eben  besprochnenn  Reichssteuer  von  1532  eine  Be- 
steuerung der  Ritterschaft  nachweisen.  Eine  solche  hat 
sonst  nur  in  dem  Sinne  bestanden,  daß  ihre  Hintersassen 
zu  Landsteuern  herangezogen  wurden.  Dies  ist  zum  ersten 
Mal  bezeugt  im  Jahre  1501  und  1502.  Vielleicht  ist  vor- 
her die  Landsteuer  noch  nicht  auf  adlige  Untertanen  aus- 
gedehnt worden,  denn  es  ist  auffällig,  daß  bis  dahin  bei 
den  Steuerverhandlungen  immer  bloß  Geistlichkeit  und  Land- 
schaft genannt  sind41.  Aber  auch  nach  1502  ist  von  einer 
Steuer  der  adligen  Hintersassen  nicht  mehr  die  Rede.  1505 
wird  von  Städten,  Pflegen  und  Landschaft  eine  zweijährige 
Landsteuer,  1522  eine  Reichssteuer  von  14  0000  gd.  in  dem- 
selben Jahr  von  den  Weltlichen  in  der  Sickingenschen  Fehde 
1360  gd.  20'alb.  gezahlt42,  nirgends  werden  dabei  die  adligen 
Bauern  genannt.  Für  ihre  Steuerfreiheit  bis  zur  Mitte  des 
XVI.  Jahrhunderts  spricht  ein  Revers  Erzbischof  Johanns 
von  Isenburg  vom  13.  Oktober  1548,  dem  Grafen  Philipp 
v.  Nassau-Saarbrücken  ausgestellt43.  Der  Graf  hat  zuge- 
geben, daß  seine  „Untertanen  (natürlich  nicht  im  staats- 
rechtlichen Sinne)  und  leibsangehörigen,  die  bis  anher 
unsern  (des  Erzbischofs)  vorfarn  seligen  und  stift  kein 
Steuer  oder  schatzong  haben  gegeben  uns  itzo 
gleich  andern  unsern  undertanen  die  dreijerige  hievor  uf 
unserm .  zu  Trier  gehaltenen  lanttage  (1547)  gewilligte 
Steuer  geben  und  bezalen  sujlen.  Der  Erzbischof  ver- 
spricht, diese  Steuer  in  keine  Konsequenz  und  Nachfolge 
zu  ziehen,  sondern  er  wolle  „bemelte  seine  (des  Grafen) 
undertanen  nach  bezalung  dieser  itzigen  Steuer  halten  und 


41.  cf.  p.  41. 

42.  Buch  der  Anschläge. 

43.  Hontheim  II  714. 


bleiben  lassen,  alles  gestalt  wie  sie  bei  unsern  vorfaren 
seligen  sind  gehalten  worden".  Im  selben  Jahr  schreibt 
Alexander  v.  Braubach  an  die  reichsritterschaftlichen  Ein- 
nehmer, der  Bischof  von  Trier  habe  von  seinen  Unter- 
tanen „Molbacher  tals"  (Ehrenbreitstein)  Landsteuer  er- 
hoben, eine  unerhörte  Neuerung,  aber  er  könne  nun  von 
ihnen  nicht  zum  zweiten  Mal  Steuer  verlangen44.  Den  ge- 
meinen Pfennig  von  1542  und  1544  übernahm  auch  der 
Adel,  nicht  so  die  als  Matrikularumlage  im  letzteren  Jahr 
erhobene  Defensionshilfe.  Auf  die  Beschwerden  der  beiden 
anderen  Stännde  wandte  er  vor,  gemeine  Ritterschaft  des 
Reichs  sei  dieser  Steuer  auf  diesmal  erlassen  und  er  wollte 
nur  dann  mitsteuern,  wenn  die  Kurfürsten  von  Mainz  und 
Pfalz  ihren  Adel  auch  anschlügen.  Schließlich  verteilten 
dann  auch  die  beiden  anderen  Stände  die  Anlage  unter  sich 
allein.  1547  forderte  der  Kurfürst  eine  dreijährige  Land- 
steuer und  hier  wiederholte  sich  der  Streit  in  verschärfter 
Form.  Der  zum  14.  Februar  nach  Koblenz  ausgeschriebene 
Landtag  wurde  vertagt  und  zum  25.  Juli  nach  Trier  be- 
rufen45.   Die  Ritterschaft  weigerte  für  ihre  Untertanen  die 


44.  cf.  R.  R.  VIII  1,  t.  a.  II,  744.  —  cf.  hierüber  auch  die 
Notiz  vom  Landtag  ao.  151 5  bei  Hontheim  II  603.  Aus  dem 
Temporale  Richard  Greifenclaus  St.  A.  A.  I,  1,  23  nr.  237.  Der  Eb.  ist 
dabei  nicht  direkt  mit  Steuerforderungen  hervorgetreten,  sondern 
bittet  seine  Stände  nur  um  Rat  wegen  der  großen  Schuldenlast  des 
Stifts.  Geistlichkeit  und  Landschaft  antworten  darauf,  wenn  s. 
ch.  gn.  Not  angehe,  wollten  sie  ihm  mit  Leib  und  Gut  beistehen, 
Grafen,  Herren  und  Ritterschaft  blos,  sie  seien  bereit,  dem  Kf. 
nach  ihrer  Schuldigkeit  zu  raten.  Der  Eb.  dankt  den  Ständen  für 
ihre  Zusage:  der  Zuversicht,  woe  es  darzu  queme,  daß  es  von 
noeten  wurde  syn,  die  zween  stende  von  den  prelaten  geist- 
lichen, Stetten  lantschaften  wurden  diese  irer  zusag  nach  und  s.  gn. 
zu  stuier  kommen. 

45.  Proposition  zum  Landtag  in  Koblenz  u.  Notiz  über  den  in 
Trier  in  der  JStadtbibliothek  zu  Trier. 


—    84  — 


Landsteuer,  namentlich  an  den  Orten,  wo  sie  Hochgerichts 
herr  sei.  Schließlich  gab  sie  doch  soweit  nach,  daß  ihre 
Hintersassen,  soviel  im  Erzstift  gesessen,  gleich  den  anderen 
Untertanen  des  Erzstifts  in  die  Landsteuer  mit  einbezogen 
würden,  daß  sie  hingegen  selbst  für  ihre  Person,  Hab 
und  Gut  jetzt  und  zukünftig  nicht  beschwert  werden  solle. 
Am  Ende  des  Jahres  1548  kam  eine  Reichssteuer  hinzu, 
bestehend  in  einem  Romzug  und  einem  Vorratsgeld,  das 
in  der  Form  der  Kammerzieler  umgelegt  wurde.  Der  Reichs- 
tag hatte  beschlossen,  daß  die  Fürsten  dazu  alle  Unter- 
tanen, exempt  oder  nicht  exempt,  gefreiet  oder  nicht  ge- 
freiet, belegen  könnten46.  Von  neuem  erhob  sich  jetzt  auf 
dem  Landtage  vom  19.  November  der  Zank  mit  der  Ritter- 
schaft. Doch  kam  es  endlich  unter  Vermittlung  des  Dom- 
kapitels zu  einer  Einigung,  nach  der  wiederum  die  adligen 
Hintersassen  besteuert,  die  Ritterschaft  frei  bleiben  sollte. 
Beide  Teile,  Kurfürst  und  Adel,  behielten  sich  für  den 
Fall  einer  neuen  Reichssteuer  oder  eines  gemeinen  Pfen- 
nigs ihre  Rechte  vor.  Am  3.  Dezember  1548  wurde  über 
diese  beiden  letzten  Landtage  ein  förmlicher  Vertrag 
zwischen  Ritterschaft  und  Erzbischof  aufgesetzt,  der  vom 
Kurfürsten,  dem  Domkapitel,  dem  Erbmarschall  v.  d.  Leven 
und  vier  anderen  Rittern  besiegelt  wurde47. 

Eine  besondere  Schwierigkeit  bereitet  in  diesem  Ver- 
trage der  Umstand,  daß  von  der  Ritterschaft  ihre  Hoch- 
gerichtsherrlichkeit als  Kriterium  für  die  Steuerfreiheit  ihrer 
Hintersassen  heranngezogen  wird48.    Die-  einzige  Quelle 

46.  cf.  h.  110 ff. 

47.  Abgedruckt  bei  Scotti  I  nr.  81,  Hontheim  II  p.  738, 
Original  in  zwei  Ausfertigungen  mit  den  Siegeln  St.  A.,  A.  3 
169  a— b. 

48.  Aehnliche  Ansprüche  machte  der  im  bayrischen  Löwen- 
bund  geeinte  Adel.  Er  wollte  nicht  nur  seine  Eigenleute,  sondern 
auch  Vogtei-,  Lelms-  u.  Gerichtsleute  steuerfrei  haben.  Riezler,  Ge- 
schichte Bayerns,  III  532  ff. 


—    85  — 


über  derartige  Ansprüche  ist  eben  diese  Urkunde,  spätere 
knappe  Andeutungen  in  den  Landtagsakten  bringen  nichts 
neues  hinzu.  Die  Ritterschaft  behauptet,  an  den  Orten, 
wo  sie  Hochgerichtsherr  sei,  hätten  ihre  Untertannen  nie 
Landsteuer  gezahlt.  Noch  verwickelter  wird  die  Sachlage 
dadurch,  daß  auch  der  Erzbischof  unterscheidet  zwischen 
ritterschaftlichen  Untertanen,  die  von  altersher  zur  Land- 
steuer mitbelegt  worden  seien  und  solchen  die  von  alters 
gefreit  waren  ohne  daß  nach  seiner  Darstellung  die  Hoch- 
gerichtsherrschaft auf  diese  Scheidung  einen  Einfluß  aus- 
übte49. Fügen  wir  hinzu,  daß  die  letzte  Landsteuer  mit 
ziemlicher  Gewißheit  1522 — 1523  also  vor  25  Jahren  er- 
hoben worden  ist  (die  Reichssteuer  vonn  1532  sowie  der 
gemeine  Pfennig  nehmen  eine  gesonderte  Stellung  ein)  und 
daß  wir  einigen  Grund  hatten,  anzunehmen,  die  ritterschaft- 
lichen Hintersassen  seien  bis  dahin  überhaupt  steuerfrei 
gewesen,  so  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  beide  Teile  über 
ihre  herkömmlichen  Rechte  sehr  schlecht  unterrichtet  waren50. 


49.  „so  vil  aber  denselbe  arme  angehörige,  in  unserem  erzstift 
gemessen,  belangt,  daß  diejenigen,  so  von  alterhere  von  unseren 
Vorfaren  seligen  und  löblicher  Gedachnus  in  gemelte  Landsteuern 
belegt  worden,  sie  seien  gleichwohl  in  der  von  der  Ritterschaft 
hochgerichten  gesessen  oder  nit,  dieselbigen  hinfüro  jederzeit  im 
Fall  der  Notdurft  zu  erlegen  und  gehorsamblich  zu  entrichten 
schuldig  sein,  denjenigen  aber,  so  derselben  jederzeit  gefreiet  ge- 
wesen und  nichts  gegeben  haben,  die  damals  beschehene  Bewilli- 
gung kein  Nachteil  oder  Zugang  geben  soll."  Unter  den  letzteren 
sind  vielleicht  die  Leibeigenen  zu  verstehen  cl.  p.  56.  Das  Feuer- 
buch von  1564  vermag  über  jene  Streitfrage  leider  keinen  Auf- 
schluß zu  geben.  Es  hat  zwar  genaue  Berichte  über  die  Steuer- 
erhebung vom  Jahre  1556,  aber  damals  hat  der  Adel  —  zum 
letzten  Mal  —  gewilligt,  daß  alle  seine  Hintersassen  ohne  Unter- 
schied in  die  Landsteuer  einbezogen  würden.  —  Ueber  die  Gerichts- 
verfassung siehe  unten. 

50.  Wie  kurz  und  unzuverläßig  das  Gedächtnis  der  Stände  war. 


-    86  - 

1551  erhob  sich  der  alte  Streit  unter  denselben  Um- 
ständen. Der  „Vorrat"  von  1548  sollte  gegen  Magdeburg 
verwendet,  sogleich  aber  von  allen  Untertanen,  exempt 
oder  nicht,  ergänzt,  auch  der  gemeine  Pfennig  von  1544 
abgeliefert  werden.  Die  Geistlichkeit  willigte  gleich  in  den 
gemeinen  Pfennig,  übernahm  auch  vom  Vorratsgeld  den 
dritten  Teil51.  Die  Ritterschaft  verhielt  sich  gegen  beides 
ablehnend.  Sije,  weigert  sich  überhaupt,  in  Steuerfragen 
sich  mit  der  Landschaft  in  Unterhandlungen  einzulassen, 
doch  wolle  sie  sich  versehen,  daß  die  Stedt  Pfleg  und 
Landschaft  ihrem  gnädigen  Herrn  gebührlichen  Gehorsam 
leisten  und  alsolche)  Antwtort  geben  wollten,  daran  ihr 
gnädigster  Herr  kein  Ungefallen  haben  möchte. 

Immerhin  gab  die  Ritterschaft  wiederum  soweit  nach 
wie  48,  unter  ausdrücklicher  Beziehung  auf  den  Vertrag. 
Der  Erzbischof  entließ  sie  mit  dem  Vorbehalt,  sein  Recht 
und  Gerechtigkeit  entweder  in  Güte  oder  mit  Recht  zu  ge- 
legener Zeit  mit  ihr  zu  erörtern53.  Er  hatte  wohl  in  Vor- 
aussicht des  Streites  die  Landschaft  zu  überlisten  gesucht, 
indem  er  einfach  die  Bewilligung  der  Reichssteuer  von  ihr 
verlangte  ohne  eine  bestimmte  Summe  zu  nennen.  Es  war 
um  so  mehr  zu  befürchten,  daß  die  übrigen  2/3  auf  ihr 
haften  blieben,  als  auch  die  Geistlichkeit  nicht  weiter  mit 
ihr  verhandeln  wollte,  sondern  sich  schleunigst  mit  dem 
Kurfürsten  ihrer  Antwort  verglich.   Die  Landschaft  war  aber 

beweist  eine  Besprechung  der  Ritterschaft  auf  dem  Landtage  von 
1566  R.  R.  VIII  4:  sie  wüßten  sich  zu  erinnern,  daß  sie  sich 
ungefähr  1542,  bei  Gelegenheit  der  Offensiv-  und  Defensivhülf 
(war  1544)  von  Eb.  Johann  Ludwig  hätten  überreden  lassen,  daß 
sie  derzeit  in  gemeine  Landschaft  trügen,  dagegen  ihr  ch.  gn. 
aber  samt  dem  Domkapitel  unter  Siegel  Verheißung  getan  habe 
(1548),  die  man  im  Fall  der  Not  auflegen  könne,  daß  dergleichen  der 
Ritterschaft  nicht  mehr  zugemutet  werden  solle. 
51.  t.  1.  V. 

53.  R.  R.  II  8.  Die  Proposition  und  der  Abschied  der 
Ritterschaft. 


—    87  — 


so  vorsichtig,  erst  die  Angabe  einer  bestimmten  Summe  zu 
verlangen  und  nun  kam  er  mit  der  Forderung  von  6000  Old. 
heraus.  Städte  und  Pflegen  weigerten  sich  aber  hartnäckig 
mehr  als  ein  Drittel  der  Gesamtsumme  zu  übernehmen,  wenn 
der  Kurfürst  daran  kein  Genüge  hätte,  müßte  die  Landschaft 
leiden,  daß  der  Artikel  der  Ungleichheit  durch  das  Kammer- 
gericht erklärt  werde.  Auch  eine  erneute  Berufung  zum 
10.  Juni  51  und  die  Drohung  einer  Klage  beim  Kammer- 
gerichts-Fiskal  vermochte  die  Landschaft  nicht  weiter  zu  be- 
wegen. Für  den  Landtag  von  1552  sind  die  Nachrichten  nur 
sehr  dürftig.  Ganz  in  der  alten  Bahn  von  48  und  51  be- 
wegen sich  die  Verhandlungen  noch  einmal  155654.  Zum 
letztenmal  willigt  hier  die  Ritterschaft  in  eine  gleichmäßige 
Besteuru..g  ihrer  Hintersassen.  Städte  und  Landschaft 
wurden  diesmal  schwieriger  denn  je.  Sie  wollten  eine  Steuer 
nur  unter  der  Bedingung  auf  sich  nehmen,  daß  auch  der 
Adel  persönlich  gleich  ihnen  dazu  herangezogen  werde. 
Zweimal  mußte  der  Landtag  neu  einberufen  werden. 
Schließlich  bewilligte  die  Landschaft  40  000  Tlr.  (100  000  die 
Gesamtsumme),  nicht  ohne  daß  der  Kurfürst  die  Verpflich- 
tum  übernahm,  die  Ritterschaft  als  den  dritten  Stand  s.  ch. 
gn.  vermittels  austräglichen  Wegen  des  Rechtens  vorzu- 
nehmen. In  eine  neue  Phase  trat  der  Kampf  1557.  Zur 
Verhandlung  kam  ein  doppelter,  achtmonatlicher  Römerzug 
gegen  den  Türken.  Die  Ritterschaft,  nur  in  geringer  Zahl 
erschienen,  weigerte  diesmal  jede  Steuer  mit  der  Begründung, 
sie  sei  bei  Reichssteuern  jederzeit  in  den  rheinischen  Ritter- 
kreis gezogen  worden  und  ihrer  etliche  hätten  bereits  ihre 
Gehorsamkeit  dorthin  erzeigt.  Doch  schien  sie  guten  Willen 
zu  haben,  den  Streit  endlich  durch  einen  rechtlichen  Austrag 
aus  dem  Wege  zu  schaffen.  Beide  Parteien  einigten  sich 
dahin,  daß  jede  ihr  Recht  in  einzelnen  Artikeln  aufstellen 


54.  Abschied  der  Ritterschaft  R.  R.  VIII,  21.  —  13.  juny 
Landschaft,    t.  a.  I  805,  15.  july  85g,  31.  juli  862. 


—    88  — 


und  beide  darauf  ihre  Gegenschrift  verfassen  sollten.  Diese 
wollte  man  zwei  Kommissaren  in  Köln,  dem  Offizial  da- 
selbst und  einem  anderen  Rechtsgelehrten  übergeben.  Diese 
beiden  sollten  nun  die  Sache  soweit  verhandeln  und  fördern, 
daß  sie  zur  Urteilssprechung  reif  sei  und  dann  die  Akten 
versiegelt  an  das  Kammergericht  übersenden,  damit  dort 
das  Endurteil  gefällt  werde.  Zuerst  war  man  anscheinend 
beiderseits  guter  Hoffnung,  die  Sache  nun  bald  erledigt  zu 
sehen,  denn  die  Ritterschaft  genehmigte  weiter,  daß  sie  die 
Türkensteuer  soweit  sie  noch  nicht  in  den  rheinischen  Kreis 
gesteuert  habe,  nach  Koblenz  in  eine  besondere  Truhe  liefern 
und  dieses  Geld  je  nach  Entscheid  des  Kammergerichts  dem 
Kurfürsten  oder  dem  Kreis  überantworten  wolle55. 

Weil  nun  aber  nur  sehr  wenige  in  Cochem  versammelt 
waren,  beschloß  man  zunächst  die  Abwesenden  nach  Zell 
zu  berufen.  Hier  mochte  es  der  zahlreich  versammelten 
Ritterschaft  denn  doch  bedenklich  vorkommen,  sich  auf  den 
richterlichen  Entscheid  einzulassen.  Kurz,  sie  erklärte,  sie 
sei  zu  allem  bereit,  was  getreuen  Lehensmannen  und  Land- 
sassen ihrem  Herrn  zu  leisten  gebühre,  aber  was  die  Türken- 
steuer anbelange,  so  habe  die  römische  königliche  Majestät 
sie  schon  in  den  rheinischen  Kreis  erfordert56.  Damit  hatten 
sich  die  Aussichten  auf  eine  rechtliche  Beilegung  zerschlagen 
und  der  Adel  sich  nicht  blos  persönlich,  sondern  auch  für 
seine  Untertanen  zum  ersten  Mal  seit  1532,  von  allen  Steuern 
abgesondert. 

Der  Erzbischof  ließ  sich  zwar  vernehmen,  er  gedenke 
darin  nicht  nachzugeben,  sondern  den  Adel  auf  gebührliche 
Wege  vorzunehmen,  aber  es  blieb  noch  lange  bei  dieser 
Drohung  und  nur  die  äußerste  Hartnäckigkeit  der  Land- 
schaft sorgte  dafür,  daß  die  Ritterschaft  sich  nicht  still- 
schweigend absonderte.  Jene  war  stets  das  treibende  Ele- 


55.  Abschied  der  Ritterschaft  R.  R.  II  8,  VIII  21. 

56.  t.  1.  V. 


—    89  — 


ment,  wie  auch  der  rheinische  Ritterkreis  sich  äußert,  der 
Kurfürst  betriebe  die  Sache  nicht  so  sehr  als  die  Landschaft57. 
Sie  griff  immer  wieder  zu  dem  bewährten  Mittel  der  Steuer- 
verweigerung58. So  brachte  sie  es  endlich  doch  so  weit,  daß 
der  energische  Jacob  v.  Elz  mit  dem  Prozeß  ernst  machte. 
Nach  langer  Pause  (seit  66)  berief  er  zum  16.  Februar  1576 
einen  Landtag  nach  Koblenz59.  Die  beiden  Stände  gingen 
nicht  ehe:  an  die  Verhandlung  der  Proposition  heran,  bis 
ihnen  der  Kurfürst  für  sich  und  seine  Nachkommen  und 
das  Domkapitel  die  Zusage  gemacht  hatte,  ohne  Säumnis 
gegen  die  Ritterschaft  rechtlich  vorzugehen,  und  er  leitete 
denn  auch  den  Prozeß  am  Kammergericht  ein.  Am  3.  Juli 
1577  erfolgte  die  Vorladung  der  Ritterschaft60.  Durch  seine 
endlose  Verschleppung  sollte  der  Prozeß  sie  schließlich  doch 
an  ihr  Ziel  führen. 

Kurz  zusammengefaßt  ist  das  Resultat  der  bisherigen 
Untersuchung  etwa  folgendes:  Die  außerordentliche  Be- 
steuerung im  Erzstift  Trier  zeigt  eine  zunehmende  Neigung 
den  Kreis  der  steuerpflichtigen  Personen  zu  erweitern.  Bis 
gegen  Ausgang  des  Mittelalters  wurde  nur  die  Geistlichkeit 
zu  Subsidien  herangezogen.  Die  starke  Verschuldung  des 
Erzstifts  im  15.  Jahrhundert  und  der  Widerstand  der  Geist- 
lichkeit nötigten  dann  den  Erzbischof,  auch  Städte  und  Land- 
schaft mit  Landsteuern  zu  belegen.  Dem  Adel  gelang  es  bis 
zum  Jahre  1532  sich  persönlich  und  wahrscheinlich  (mit  Aus- 
nahme von  1501  02)  auch  seine  Hintersassen  steuerfrei  zu 
halten.  Um  diese  Zeit  stellen  die  Reichssteuern,  hervor- 
gerufen namentlich  durch  die  Türkenkriege,  neue  An- 
sprüche an  die  Steuerkraft  des  Territoriums.    Die  beiden 


57.  cf.  den  Abschied  von  Mainz  1577.  t.  a.  II  787. 

58.  cf.  die  Verhandlungen  von  1564,  t.  a.  812,  66,  R.  R.  VIII.  4. 

59.  t.  a.  I,  830,  Verhandlungen  der  Ritterschaft  R.  R.  VIII  4, 
II  8  p.  117. 

60.  R.  R.  VIII  3  n.  1  p.  85. 


—    90  - 


anderen  Stände  machen  daher  besondere  Anstrengungen, 
auch  den  Adel  mit  samt  seinen  Untertanen  zu  belegen.  Es 
kommt  ihnen  in  diesem  Bestreben  entgegen  die  entschiedene 
Tendenz  der  Reichssteuern,  alle  Untertanen  des  Reichs  ohne 
Unterschied  des  Standes  und  der  ständischen  Vorrechte  zu 
treffen.  Im  gemeinen  Pfennig  prägte  sich  diese  am  offen- 
kundigsten aus,  jedoch  suchte  man  1548  u.  1551  diesen 
Grundsatz  auch  für  die  Matrikularumlagen  zu  retten.  Nament- 
lich die  Landschaft  griff  diese  Tendenz  mit  Leidenschaft  auf, 
sie  erreichte  aber  nur  den  vorübergehenden  Erfolg,  daß 
von  1532 — 1556  sämtliche  Untertanen  des  Adels  gleicher- 
weise wie  alle  anderen  stiftseingesessenen  Bürger  und 
Bauern  besteuert  wurden.  Alle  persönlichen  Abgaben,  etwa 
wie  in  Jülich-Berg  in  der  Form  einer  Rentensteuer,  verweigert 
er  mit  Berufung  auf  seine  altadelige  Freiheit  und  seine  Ver- 
pflichtung zum  Lehnskriegsdienst61.  Dem  Andrängen  der 
beiden  anderen  Stände  gegenüber  wendet  er  sich,  wie  unten 
noch  darzustellen  ist,  allmählich  dem  rheinischen  Ritterkreis 
zu  und  löst  sich  nach  und  nach  völlig  von  der  Trierischen 
Landeshoheit  los,  wird  reichsunmittelbar. 

Eine  unmittelbare  Folge  der  Absonderung  des  Adels 
war  die  Beschränkung  des  freien  Güterverkehrs. 

Bereits  im  Mittelalter  hatten  die  Kurfürsten  vielfach  den 
Anspruch  erhoben,  daß  bürgerliches  Gut  von  Adeligen  und 
namentlich  auch  der  toten  Hand  nur  unter  der  Bedingung 
erworben  werden  dürfte,  daß  die  darauf  ruhenden  bürger- 

6i.  cf.  die  Antwort,  die  der  Graf  von  Manderscheid  auf  dem 
Landtag  zu  Trier  dem  Abt  von  Laach  als  Gesandten  der  Geistlich- 
keit gibt  (Freiherr  von  Winnenberg  im  t.  a.  I  409)  :  ....  es  hett 
aber  gar  ein  ander  gestalt  mit  grafen,  herren  und  ritterschaft. 
Wann  dieselbige  in  notfeilen  als  lehenmann  erfordert'^  würden,^  so 
setzen  sie  sich  auf  ein  vierlüßig  tier  und  nemen  ein  dannen  speer 
in  die  faust  und  rennen  daher,  schützen  und  schirmen  und  reiben 
soviel  als  sie  können,  das  sei  ir  tun  ...  —  Dieselbe  Entschuldigung 
bei  der  Jülichschen  Ritterschaft  15 13  Ldst.  Verf.  III  2  p.  11. 


—    91  — 


liehen  Lasten  mit  übernommen  würden62;  aber  immer  nur 
bei  Einzelfällen,  nicht  generell,  stellte  der  Landesherr  diese 
Forderung  auf,  die  dann  auch  keine  praktische  Bedeutung 
erlangte. 

Als  nun  seit  1557  der  Adel  jede  Landsteuer  von  seinen 
Untertanen  verweigerte,  gingen  die  beiden  anderen  Stände 
den  Erzbischof  an,  er  möchte  wenigstens  dafür  sorgen,  daß 
der  Adel  von  allen  Gütern,  die  er  seit  Menschengedenken 
erworben  habe,  die  Steuer  entrichte,  Es  sei  ihnen  sonst 
auf  die  Dauer  nicht  mehr  möglich,  die  Steuer  nach  der  alten 
Taxe  aufzubringen,  da  der  Adel  täglich  Güter  ankaufe63. 
Infolgedessen  erließ  nun  Jacob  v.  Elz  1569  am  18.  April 
ein  Landesgesetz,  durch  das  jeder  Uebergang  von  bürger- 
lichem Gut  an  Geistliche  und  Adlige  verboten  wurde,  der 
Erwe'fber  habe  sich  denn  zuvor  verpflichtet,  alle  darauf 
ruhenden  Beeden,  Dienste  und  gemeinen  Lasten  zu  tragen64. 
Auf  dem  nächsten  Landtage,  1576,  beschwert  sich  dagegen 
einerseits  der  Adel  und  beansprucht  völlige  Abgabenfreiheit 
auch  für  alle  Güter,  die  er  jetzt  oder  künftig  erwerbe,  die 
beiden  anderen  Stände  ihrerseits  bitten  um  strengste  Be- 
obachtung des  Edikts65.  Der  Kurfürst  kam  ihren  Wün- 
schen dadurch  entgegen,  daß  er  seine  Verordnung  von  1569 
.im  Jahre  1576  wiederholte  mit  dem  verschärfenden  Zusatz, 
jdaß  der  Erwerb  ungültig  sei,  wenn  jene  Verpflichtung  nicht 
übernommen  sei.  Außerdem  sollte  datin  der  Verkäufer  den 
Kaufpreis  als  Strafe  zahlen  und  die  Gemeinden  hiervon  zur 
Verbesserung  ihrer  Wachsamkeit  die  Hälfte  erhalten66. 

Eine  Fülle  von  Zeugenaussagen  bestätigt  uns,  daß  man 
das  Edikt  nun  in  allen  Teilen  des  Landes  beobachtete,  aber 


62.  cf.  Weiß  a.  a.  O. 

63.  Abschied  von  1566,  t.  a.  II  246. 

64.  Scotti  I  nr.  107. 

65.  Abschied  t.  a.  I  830. 

66.  Scotti  I  n.  117. 


—    92  - 


auch,  daß  der  Adel  bisher  keine  Verpflichtungen  beim  Er- 
werb von  Gütern  mit  übernommen  hatte67. 


5.  Die  Besteuerung  der  Landschaft. 
Die  Akzise. 

Die  Hauptlast  der  Land-  und  Reichssteuern  wurde  im 
Laufe  des  16.  Jahrhunderts  je  länger  je  mehr  auf  die  Land- 
schaft abgewälzt.  Die  Steuerpflicht  erstreckte  sich  auf  alle 
bäuerlichen  und  bürgerlichen  und  bürgerlichen  Untertanen 
des  Erzstifts,  auf  jeden  „im  Erzstift  oder  des  hochgerichten 
gesessenen  und  mit  thorn  und  nagel  darin  beschlossenen. " 
So  lange  die  adligen  Untertanen  mitsteuerten,  genossen  sie 
darin  keinen  Vorzug  vor  den  anderen  weltlichen  Untertanen. 
Sie  wurden  ebenso  hoch  angeschlagen,  ihre  Beiträge  flössen 
ebenso  wie  die  der  geistlichen  Hintersassen  in  die  Land- 
schaftskasse68. Das  Feuerbuch  von  1564,  welches  genau  ver- 
zeichnet, wo  und  wie  die  Landsteuer  von  1556  erhoben 
wurde,  bestätigt  dies  für  alle  Teile  des  Stifts. 

Für  die  Austeilung  und  Erhebung  der  Landsteuer  wandte 
man  die  Verbindung  des  Repartitionssystems  mit  einer 
Quotitätssteuer  an. 

Die  bewilligte  Steuersumme  repartierte  man  auf  die 
Städte-  und  Amtsbezirke,  in  diesen  wieder  auf  die  einzel- 


67.  t.  a.  I  169;  205,  220,  319,  608,  621,  652,  660,  668,  690,  737. 

68.  In  Cöln  zahlten  die  Halbwinner  des  Klerus  von  Gewinn 
und  Gewerbe  nur  ^4  vom  Anschlag  der  anderen  Bauern.  In  Jahr- 
hunderte langem  Streit  suchte  die  Landschaft  ihnen  den  vollen 
Anteil  aufzubürden.  Jeder  Adlige  hatte  einen  adligen  „säß"  steuer- 
frei, cf.  Walter,  Das  alte  Erzstift  und  die  Reichsstadt  Köln, 
1866  p.  187,  190. 


—    93  — 


nen  Flecken  und  Dörfer70.  Bei  einer  neuen  Belegung  wurde 
dann  jedesmal  die  alte  Taxe,  entsprechend  erhöht  oder 
erniedrigt,  zugrunde  gelegt.  Die  Abschätzung  der  Steuer- 
kraft des  einzelnen  Bezirks  mußte  naturgemäß  höchst  un- 
vollkommen ausfallen.  Die  einkommende  beede  konnte  dazu 
kaum  verwertet  werden,  weil  einerseits  die  geistlichen  und 
ritterschaftlichen  Untertanen  größtenteils  beedefrei  waren 
und  diese  andererseits  vielfach  teilweise  oder  gar  voll- 
ständig den  Händen  des  Landesherren  entzogen  war71.  Einen 
gewissen  Anhalt  mochte  das  Feuerbuch  von  1564  geben,  in 
dem  alle  Feuerstellen,  d.  h.  selbständigen  Haushaltungen  ver- 
zeichnet stehen. 

In  den  1564  von  den  Ständen  eingereichten  schriftlichen 
Beschwerden  wegen  ungleicher  Veranlagung72  beklagt  sich 
dann  auch  die  Stadt  Oberwesel,  daß  sie  nach  der  ermittelten 
Zahl  ihrer  Feuerstellen  viel  zu  hoch  angeschlagen  sei  im 
Vergleich  zu  den  anderen  Städten. 

Ein  besseres  Korrektiv  besaß  man  aber  dadurch,  daß 
die  also  repartierte  Summe  von  den  einzelnen  Unterbezirken 
nicht  in  beliebiger  Weise  aufgebracht,  sondern  jedesmal  nach 
einer  bestimmten,  für  das  ganze  Land  gemeinsamen  Quote 
umgelegt  wurde.  Wie  man  diese  beiden  Faktoren,  Repar- 
ation und  Quotisierung  vereinigte,  zeigt  ein  Erlaß  Erzbischofs 
Lothars  vom  20.  März  161473.    Es  sollte  danach  jede  Feuer- 

70.  Die  mir  bekannt  gewordenen  Repartitionslisten,  vier  an  der 
Zahl  1501?— 64,  sind  im  Anhang  beigefügt. 

71.  cf.  zweiten  Teil. 

72.  t.  1.  10a. 

73.  Scotti  I  nr.  176.  In  Cöln  fanden  bereits  im  XVI.  Jhdt. 
häufiger  eigene  Deskriptionen  zur  Festsetzung  der  Taxe  statt,  die 
von  Amtleuten  und  Gerichtspersonen,  Magistraten  und  städtischen 
Beamten  vorgenommen  wurden.  Jeder  mußte  dabei  sein  Vermögen 
angeben,  das  zu  5%  veranschlagt  wurde,  so  1514,  57,  75,  99. 
Walter  p.  195,  1  a.  In  Jülich-Berg  hatte  man  blos  das  Repartitions- 
system,  innerhalb  der  einzelnen  Bezirke  war  demnach  Belastung 
und  Quote  nie  gleichmäßig,   cf.  Ldst.  Verf.  III  2,  p.  24,  66. 


_    94  - 


statt  zunächst  zu  1/2  Gld.  Rauchgeld  veranlagt  und  dann 
jeder  Einwohner  nach  seinem  Vermögen  eingeschätzt 
werden.  Wenn  nun  jede  Stadt,  Flecken,  Dorf  und  Pflege 
in  dieser  Weise  veranschlagt  sind,  soll  die  also  berechnete 
Summe  fortan  als  Taxe  gelten,  nach  der  die  Landsteuer 
repartiert  wird.  Solche  besonderen  Descriptionen  zum 
Zwecke  der  Repartition  sind  im  16.  Jahrhundert  in  Trier 
noch  nicht  nachweisbar,  es  ist  anzunehmen,  daß  die  Listen 
auf  den  einzelnen  Landtagen  nach  dem  Ergebnis  der  letzten 
Erhebung  jedesmal  korrigiert  wurden,  von  den  erhaltenen 
stimmt  wenigstens  keine  mit  den  anderen  genau  überein74. 

Die  Steuer  der  Landschaft  trug  den  Charakter  einer 
rohen  Vermögenssteuer.  Alle  bewegliche  und  unbewegliche 
Habe,  Einkünfte,  Renten  und  Gefälle  usw.  wurden  kapitali- 
siert und  das  also  berechnete  Kapital,  das  „Hauptgut",  nach 
einer  bestimmten  Quote  besteuert.  Genaue  Instruktionen 
hierfür  sind  erhalten  aus  den  Jahren  1501,  32,  56,  64  und  6675. 
Die  älteren  von  ihnen  brauchen  nur  den  Begriff  Hauptgut, 
seit  1556  wird  dieser  in  immer  eingehenderer  Wreise  er- 
läutert: Alle  fahrende  Habe,  Silbergeschirr  und  Kleinodien, 
liegende  Güter,  Wiesen  und  Weiher,  Häuser  räch  Maßgabe 
ihres  Mietswertes.  1566  alle  Gebäulichkeiten,  auch  Ställe 
und  Scheunen  sollen  angeschlagen  werden.  Hausrat  wurde 
1564  ausgenommen.  Für  Naturairenten  ist  1566  ein  be- 
stimmter Geldwert  festgelegt  worden,  für  das  Malter 

Korn     2  gd  27  alb 

Weizen  2  „ 

Erbsen  2  „ 

Gerste    1  „ 

Hafer     1  „ 

74.  cf.  die  Zusammenstellung  der  Repartitionslisten  im  Anhang. 

75.  i50ijo2imPerpetualeEb.  Joh.St.  A.  A.1 1  nr.  17  auch  im  Buch  der 
Anschläge;  1532  Buch d.A. ;  56R.R.  VlII  -°o;  64  das.VIII  10;  66t.a.Il246. 
Für  Mainz  veröffentlicht  Bodmann  eine  entsprechende  Instruktion, 
aber  ungleich  detaillierter,  bereits  aus  dem  Jahre  1409?  Bodmann  II  792. 


—    95  - 


Dazu  war  zu  rechnen  Vermögen  an  Geld,  Pfandschaften, 
ausgeliehene  Gelder.  Gewerbe  und  Kaufmannschaft  sollten 
in  gleicher  Weise  nach  ihrem  Ertragswerte  angeschlagen 
werden. 

Der  Steuerfuß  wechselt  von  Fall  zu  Fall. 

1556  und  1564  betrug  er  für  100  Gld.  Hauptguts  74  gd 
=  5%  der  entsprechenden  Rente,  diese  wieder  zu  5% 
gerechnet,  zur  eilenden  Reichssteuer  von  1566  bestehend  aus 
einer  einmaligen  eilenden  und  einer  dreijährigen  beharr- 
lichen Türkenhilfe  1/2  und  1  gd  =  10  und  20%. 

Die  Gesamtvermögen  wurden  nur  bis  zu  einer 
gewissen  Höhe  veranlagt  und  blieben  darüber  hinaus 
frei.  1501  war  nach  landesherrlichem  Vorschlag 
die  Grenze  2000  Gulden,  doch  erhöhten  Städte  und 
Pflegen  diese  für  sich  auf  10  000  gd.  1502  bildete  (nur  für 
die  ritterschaftlichen  Hintersassen)  3000,  56:  4000,  64: 
6000  gd.  Die  Höchstgrenze.  1566  war  keine  Höchstsumme 
angesetzt76.  1564  blieb  außerdem  der  Steuerfuß  bis  zu  1000 
Gulden  und  von  da  an  um  je  1000  gd.  bis  zum  Höchst- 
betrage gleichmäßig  bestehen. 

1502  und  1556  ging  dieses  regelmäßige  Aufsteigen  nur 
bis  zu  1000  gd.  =  2  bezw.  21/2  gd.  Steuer,  von  da  an 
betrug  sie  nur  noch  1  bezw.  1/2  gd.  für  jedes  1000. 

Was  die  ganz  geringen  Vermögen  angeht,  erhob  man 
1501  bei  jedem  Ehepaar,  das  unter  100  gd.  Hauptguts  hatte, 
4  albus,  von  jedem,  der  zum  Sakrament  ging  und  sonst 
nichts  zahlte,  1  albus.    Eine  solche  beschränkte  Kommuni- 


76.  Doch  ist  zu  berücksichtigen,  daß  jene  Summen  so  hoch  an- 
gesetzt sind,  daß  im  Kurstaate,  selbst  in  den  Städten  nur  sehr  wenige 
ein  entsprechend  hohes  Vermögen  besessen  haben  dürften.  Bei- 
spiele für  die  Höhe  der  Kapitalansammlung  in  Südwestdeutscbland 
im  XV.  Jhdt.  in  der  Wirtschaftsgeschichte  von  Kötzschke  in  Meisters 
Grundriß  der  Geschichtswissenschaft  p.  125. 


—  96 


kantensteuer  kehrt  sonst  blos  noch  1532  wieder  (2  alb.)77. 
Doch  erhob  man  auch  56  von  den  ganz  kleinen  Leuten 
wenigstens  2  batzen  bezw.  1/2  Ort.  Auch  Tagelöhner  und 
Handwerker,  die  zur  Miete  wohnten  (in  gelehnten  Häusern), 
sollten  nicht  übergangen,  nur  offenkundig  arme  Leute  ver- 
schont werden. 

Eine  besondere  Gesindesteüer  findet  sich  1501,  1502, 
1532,  wo  der  Knecht  zu  4,  2,  3,  die  Magd  zu  2,  1,  2  albus 
veranlagt  wurden. 

Bei  der  Veranlagung  hatte  ein  jeder  selbst  bei  hanc 
gebender  Treu  sein  Vermögen  einzuschätzen.  Zur  Ein 
Schätzung  und  Einnahme  sollen  in  den  Städten  vier  ehr- 
bare und  verständige  Personen,  die  eines  jeden  Gelegenheit 
ungefährlich  wissen,  verordnet  worden,  und  zwar  zwei  durch 
den  Rat,  zwei  durch  den  Erzbischof  bezw.  seinem  Amtmann, 
ebenso  sollen  in  den  Aemtern  zwei  ehrbare  Schöffen,  von 
den  Amtsverwandten  dazu  verordnet,  und  von  seiten  des 
Kurfürsten  der  Amtmann  jene  Geschäfte  besorgen.  Konnten 
diese  mit  jemanden  wegen  der  Einschätzung  nicht  überein- 
kommen, so  sollte  er  unter  Eid  sein  Vermögen  anschlagen. 

Die  Dörfer  lieferten  die  eingegangenen  Beträge  an  die 
Hauptstadt  des  Amtes,  diese  entweder  direkt  an  den  Kur- 
fürsten oder  an  besondere  ständische  Obereinnehmer  ab. 
Die  an  der  Aufhebung  beteiligten  erhielten' hierfür  eine  be- 
sondere Vergütung  oder  man  befreite  sie  von  der  Steuer78. 

Terminversäumnis  der  Hebebezirke  wurde  1564  mit 
einem  Gulden  Strafe  für  den  Tag  belegt. 

Am  23.  Nov.  1562  erhielt  der  Kurfürst  ein  kaiserliches 
Privileg,  von  jedem  Maß  Wein  eine  Akzise  von  2  Pfg.  zu 
erheben78.  Auf  den  Landtagen  des  Jahres  1564  gelang  es 
ihm  jedoch  nicht  die  Bewilligung  der  Stände  hierfür  zu  er- 


77.  Ueber  eine  allgemeine  Kommunikantensteuer  in  Jülich- 
Berg  1532  cf.  Ldst.-Verf.  III,  2.  Heft  p.  1. 

78.  Scotti  I  nr.  tot. 


—  97 


langen.  Erst  1612  wurde  durch  landesherrliche  Verordnung- 
unter Zustimmung  des  Landtages  eine  Akzise  auf  Wein  und 
Bier  eingeführt79. 

6.  Die  Landsteuer  der  Geistlichkeit. 

Auch  nach  der  Vereinigung  der  Versammlungen  des 
Klerus  mit  dem  Landtag  wirkte  die  alte  Trennung  nach  Ober- 
und  Niederstift  in  der  Steuerverteilung  noch  nach. 

Auf  dem  Landtage  von  1501  bewilligte  der  Oberklerus 
6,  der  niedere  3  subs.  cons.  und  1  in  cons.  zur  Reichssteuer 
1522  jener  12,  dieser  17  subs.  cons.  und  1  in  cons.  Wie 
lange  es  gedauert  hat,  bis  diese  Unterschiede  sich  aus- 
geglichen haben,  läßt  sich  nicht  mehr  nachweisen.  Als  1598 
auf  dem  Landtage  vom  Klerus  Klage  geführt  wurde,  daß 
die  Belegung  ungleich  sei,  einigte  man  sich  1601  (23  Juni), 
daß  von  etlichen  dazu  verordneten  Prälaten  ein  gleichmäßiger 
Anschlag  errichtet  werden  sollte.  Aus  10  aufeinanderfolgen- 
den Jahren  war  hierzu  das  Durchschnittseinkommen  zu  be- 
rechnen.   Es  wurde  angesetzt 


1  Malter  jährlich 

Hauptgeld 

gd 

Korn 

100 

Weizen 

125 

Erbsen 

125 

Gerste 

80 

Spelz 

80 

Hafer 

50 

Ohm  Wein 

100 

Wagen  Heu 

50 

4  gd  Geldrente 

100 

Alsdann  sind  von  jedem  100  gd.  Hauptguts  2  batzen  für 


79.  t.  1.  V. 


—    03  — 


den  Termin  zu  zahlen.  Wie  schon  aus  diesem  Anschlag  her- 
vorgeht, war  die  Geistlichkeit  nur  mit  einer  Einkommen- 
und  Rentensteuer  belegt.  Steuerpflichtig  waren  alle  inner- 
halb der  Landesgrenzen  fälligen  Renten,  Auswärtige  also 
nur  für  ihre  im  Erzstift  einkommenden  Gefälle80. 

Im  Erzstift  begütert^  auswärtige  geistliche  Korpora- 
tionen, die  nicht  zum  Diözesanklerus  gehörten,  waren  auf 
dem  Landtage  nicht  vertreten81.  Ursprünglich  verhandelte 
der  Erzbischof  gesondert  mit  ihnen,  erließ  ihnen  auch  wohl 
ihre  Steuer  zum  Teil  wegen  ihrer  Verpflichtungen  an  den 
eigenen  Bischof,  so  noch  155682.  Dann  wurde  es  üblich, 
daß  diese  Auswärtigen  ohne  weiteres  in  den  Anschlag  des 
Diözesanklerus  einbezogen  wurden.  1576  finde  ich  das  zum 
ersten  Mal  bezeugt83. 

Geistliche  Obereinnehmer  waren  von  alters  der  Siegeler 
am  Offizialat  zu  Trier  und  Koblenz84. 

Für  die  Pfarrgeistlichkeit  sammelten  ihre  Vertreter  auf 
dem  Landtage,  die  Landdechanten,  die  Steuern  ein. 

Die  im  Mittelalter  beliebten  geistlichen  Zwangsmittel 


80.  cf.  die  gravamina  der  weit-geistlichen  Stände  1564  t.  1.  10 a. 
Abt  u.  Konvent  von  Schönau  i.  Nassau  bitten  demütig :  daß  unser 
arm  gotshaus  über  die  billichkeit  seines  inkommens  so  unser 
gotshaus  im  ertzstift  fallend  hat  (so  gar  gering)  nit  belegt  werde. 

81.  cf.  oben  p.  48. 

82.  Hontheim  II  777,  1556  2.  dec.  Abt  u.  Konvent  v. 
St.  Pantaleon  in  Köln  haben  Abgeordnete  gesandt,  die  sich  mit 
dem  Eb.  der  fünfjährigen  Landsteuer  vertragen  sollen.  Dieser 
quittiert  den  Empfang  von  150  gd.  und  gibt  sich  damit  mit  Rück- 
sicht auf  die  sonstige  Belastung  des  Stifts  zufrieden;  cf.  Honth.  1549, 
17.  febr.  II  740. 

83.  Abschied  t.  a.  I  830. 

84.  cf.  Hontheim  II  757,  t 55 1 ,  5.  mar  Der  Dechant  von 
St.  Castor  soll  an  Stelle  des  erkrankten  Siegelers  die  Reichs-, 
Landsteuer  und  Palliengelder  einnehmen  und  die  Ungehorsamen 
durch  geistlichen  Zwang  zur  gebührlichen  Bezahlung  anhalten. 


99 


wandte  man  auch  im  16.  Jahrhundert  noch  an,  doch  scheint 
man  es  allmählich  für  angemessener  gehalten  zu  haben,  in 
weltlichen  Angelegenheiten  auch  bloß  mit  weltlichen  Mitteln 
zu  wirken85. 

Was  das  Verhältnis  zwischen  der  Besteuerung  von 
Geistlichkeit  und  Landschaft  angeht,  so  ist  es  nach  Art 
und  Dürftigkeit  der  Quellen  ausgeschlossen  zu  beurteilen, 
in  wie  weit  die  wirtschaftliche  Leistungsfähigkeit  der  beiden 
Stände  dabei  angespannt  wurde.  Zum  Vergleich  kann  nur 
der  Gesamtanteil  an  der  Steuer  gezogen  werden. 

Bis  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  hat  die  Geist- 
lichkeit die  außerordentlichen  Steuern  allein  getragen.  Noch 
in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  stellt  sich  das 
Verhältnis  für  die  Geistlichkeit  sehr  ungünstig.  Bei  der 
sickingenschen  Fehde  zahlt  sie  ungefähr  das  Doppelte 
(22  343  gd.  gegen  10  660  der  Landschaft).  Aber  im  Laufe 
des  16.  Jahrhunderts  ändert  sich  dies.  Von  der  Defensions- 
hilfe  1544  übernahm  die  Geistlichkeit  nur  noch  3/5  (12  000 
gegen  8000  gd.),  1556  2/5  (40  000:60  000  Taler),  1576 
Y4,  seit  1603  endlich  nur  noch  1/5.  Soweit  die  Akten  erkennen 
lassen,  bringt  die  Geistlichkeit  dabei  stets  die  Entschuldi- 
gung vor,  daß  die  Reformation  ihren  Gefällen  so  erheb- 
lichen Abbruch  tue,  auch  erklärt  der  Kurfürst  einmal  selbst, 
die  Landschaft  könne  das  Doppelte  leisten  wie  der  Klerus86. 
Die  Dinge  liegen  hier  also  umgekehrt  wie  in  den  welt- 
lichen Territorien,  wo  man  grade  in  der  Reformationszeit 
anfing,  auch  die  Geistlichkeit  zu  besteuern. 

Eine  landschaftliche  Kasse,  die  den  Dualismus  des  alten 
Ständestaats  am  handgreiflichsten  zum  Ausdruck  brachte, 

85.  cf.  n.  84.  Hontheim  III  167,  15QO,  18.  sept.  Vogt,  Schultheiß 
u.  Schöffen  zu  Rübenach  u.  Vogt  zu  Lernen  erhalten  den  Befehl, 
den  Personnten  zu  Lehmen,  Kettig,  Rübenach,  welche  dem 
Ruralkapitel  noch  keine  Reichs-  und  Landsteuer  erlegt,  ihre  Renten 
und  Gefälle  zu  belegen,  bis  aller  Hinterstand  von  ihnen  ent- 
richtet ist. 

86.  cf.  Wolt  p.  25    Der  Klerus  in  Köln  war  in  der  zweiten 


—    100  — 


ist  im  16.  Jahrhundert  in  Chur-Trier  erst  in  Ansätzen  er- 
kennbar. Im  allgemeinen  werden  die  Steuern,  wenn  die 
ganze  Summe  beisammen  ist,  zum  bestimmten  Termin,  bei 
der  Landsteuer  immer  Lichtmeß,  den  kurfürstlichen  Depu- 
tierten überliefert,  nur  selten  bleiben  sie  im  Verwahr  der 
Stände87.  Bis  1576  sind  geistliche  und  weltliche  Kasse 
durchaus  getrennt  gewesen,  in  diesem  Jahre  richtete  man 
zwei  gemeinsame  Kisten  auf,  eine  zu  Koblenz  und  eine 
zu  Zell,  jede  mit  vier  Schlüsseln,  von  denen  weltliche  und 
geistliche  je  zwei  bekamen.  Seit  dieser  Zeit  hat  sich  dann 
auch  die  ständische  Kasse  selbständiger  entwickelt.  Die 
Stände  ernannten  später  selbst  General-  und  Spezialein- 
nehmer  und  nahmen  ihre  Kasse  in  eigene  Verwaltung,  auf 
Anweisung  der  Direktoren  wurden  daraus  dem  Landrent- 
meister die  bewilligten  Steuern  bezahlt.  Das  gesamte 
Quotations-  und  Repartitionswesen,  an  dem  im  16.  Jahr- 
hundert noch  der  Kurfürst  einen  erheblichen  Anteil  ge- 
genommen hatte,  wie  auch  die  Erhebung  stand  nach  dem 
Abschied  von  1623  den  Ständen  zu,  auf  die  landständische 
Kasse  in  erster  Linie  richteten  sich  die  Angriffe  des  absolut 
gesinnten  Philipp  Christopf  (1623—1652)88. 

Hälfte  des  XV.  Jhdts.  so  verarmt,  daß  er  gegen  die  Subsidien- 
forderungen  selbst  um  Hilfe  bitten  mußte. 

87.  Abgesehen  von  den  oben  p.  42,  46  besprochenen  Fällen 
aus  dem  XV.  Jhdt.  und  von  1501  nur  von  einer  Kreisumlage  im 
Jahre  1552  nachweisbar  t.  1.  V,  Abschied  der  Geistlichkeit. 

88.  Der  Abschied  von  1623  bei  Hontheim  III  299.  Ueber  den 
Streit  mit  Philipp  Christoph  das.  p.  201  ff. 


—    101  — 


1505 

Andre  Taxe 

zur  Zeit 
Eb.-Jacobs 

1522 

Die  alte 

Taxe 
vor  1564 

1564 

fl.auri.  albus. 

Trier 

1080 

Wesel  (Stadt  und  zugehörige 

Dörfer) 

1100 

1 100 

990 

750 

59 

17 

Boppard  (Stadt  und  Dörfer) 

1100 

1100 

990 

900 

92 

27 

Loblenz  (Madt  und  Amt) 

1100 

1 100 

'  511 

[Coblenz   mit  Rübe- 

)    nach,  Horchheim, 

I    Weiss,  Lützel, 

'  Neuendorf 

460 

Bergpflege 

1  18 

Ley 

Keiner  von  Wesel  für  dieallein, 

so  in  die  Kelnerei  gehören 

12 

12 

11 

Amt  zu  Boppard  von  den, 

die  in  die  Kelnerei  und 

das  Galgenscheider 

Gericht  gehören 

— 

Amt  Sternenberg  (durch- 

strichen) 

Wdmich 

60 

90 

90 

S'adt  Limburg 

300 

250 

225 

Amt  Molsberg  (Brechen  Elz) 

300 

250 

225 

Stadt  Montabaur 

320 

271 

244 

729 

83 

24 

Amt  Montabaur 

320 

243 

243 

Balduinstein 

20 

20 

18 

45 

Hartenfels 

20 

20 

18 

Haselbach 

10 

10 

9 

Niederlahnstein 

130 

130 

117 

Capellen 

20 

20 

18 

Ehrenbreitstein 

100 

100 

90 

Vallendar  (halbe  Herr- 

schaft) 

120 

130 

118 

Engers 

30 

31 

28 

Hammerstein 

30 

31 

28 

Leutesdorf 

120 

120 

108 

155 

14 

Arenfels-Höningen 

30 

31 

28 

Cobern 

100 

100 

90 

—    102  — 


1505 

Andre  Taxe 

zur  Zeit 
Eb.  Jacobs 

1522 

Die  alte 

Taxe 
vor  1564 

1564 

Polch 

70 

70 

63 

fl.  auri. 

albus 

Alken 

60 

96 

90 

Münster-Maifeld 

1000 

1000 

900 

Stadt  Maien 

300 

250 

225 

Amt  Wernerseck  (Ochten- 

dunc) 

50 

50 

45 

Cochem 

900 

1100 

990 

1125 

167!|2 

Kaiserseck 

25 

25 

23 

Ulmen 

30 

30 

27 

Hemmische  Pflege 

1000 

1100 

990 

Baldeneck 

200 

200 

180 

225 

18 

10 

Beilstein 

20 

20 

18 

Berncastel  Stadt  u.  Amt 

400 

350 

315 

Baldenau 

300 

250 

225 

150 

23 

17 

St.  Wendel  Stadt  u.  Amt 

200 

200 

180 

128 

26 

Loewenburg 

20 

20 

18 

Bliescastel 

20 

50 

45 

St.  Ingebrecht 

10 

Schmidtburg 

25 

25 

23 

67 

5 

10 

Schwarzenburg 

20 

20 

18 

Hunolstein 

125 

125 

113 

135 

18 

20 

Grimburg 

300 

300 

270 

Pfalzel 

1100 

1090 

990 

1125 

181 

131  2 

Saarburg  Stadt  und  Amt 

500 

550 

500 

525 

104 

4 

Merzig 

50 

50 

45 

Welsbillig 

100 

100 

90 

135 

28 

30*18 

Schönberg 

— 

270 

Schöneck  und  Galgen- 

scheider  Gericht 

— 

45 

Kilburg  Stadt  und  Amt 

140 

140 

126 

150 

20 

24 

Runenstein  und  Kondt 

10 

9 

8 

Wittlich  Stadt  und  Amt 

900 

820 

8L0 

850 

I161  2 

Esch  und  Neumagen 

70 

70 

63 

150 

13 

3 

Daun 

300 

300 

270 

440 

80 

10 

Hillesheim 

50 

55 

45 

Schöneck  (Eifel) 

300 

300 

270 

Caselberg 

50 

Kempenich 

200 

Manderscheid 

300 

300 

270 

—    103  — 


Die  Taxe  von  1505  ist  aus  der  Trierer  Stadtbibliothek, 
die  von  1522  aus  dem  Buch  der  Anschläge  entnommen. 
Letztere  enthält  einen  Vergleich,  um  wieviel  eine  „andere 
Taxe"  zur  Zeit  Erbischof  Jacobs  höher  war. 

In  einer  unvollständigen  Liste  der  Feuerstätten  enthält 
das  Feuerbuch  von  1564  zugleich  die  vor  dieser  Zeit  übliche 
Taxe.  Die  dahinter  stehende  Summe  (überschrieben:  was 
sie  geben)  ist  genau  nach  dem  Verhältnis  der  Feuerstätten 
berechnet,  daß  diese  von  nun  an  allein  zur  Aufstellung  der 
Taxe  gedient  hat  ist  jedoch  in  hohem  Maße  unwahrschein- 
lich weil  auch  die  späteren  Steuerinstruktionen  noch  an 
der  Steuereinschätzung  festhalten.  Möglich  ist,  daß  neben 
der  Vermögenssteuer  schon  damals  ein  von  jeder  Feuer- 
stätte zu  erhebendes  Rauchgeld  von  1/10  gd.  eingeführt 
wurde.  Nachweisbar  ist  diese  Form  der  Besteuerung  erst 
später  (cf.  den  Schirm-  und  Ehegulden). 

Bemerkenswert  ist,  daß  die  Stadt  Trier  erst  1522  in 
der  Taxe  auftaucht.  Ihre  Stellung  zu  den  Bischöfen  war 
durch  das  ganze  Mittelalter  bestritten.  Noch  1512,  bei  der 
Anwesenheit  des  Kaisers  Max  trat  sie  als  Reichsstadt  auf. 
1521  konnte  sie  den  Wormser  Reichstag  nicht  mehr  be- 
schicken und  bat  deshalb  den  Kurfürsten,  die  Rechte  der 
Stadt  daselbst  zu  vertreten89.  Erst  seit  dieser  Zeit  scheint 
sie  zu  den  Landsteuern  herangeozgen  worden  zu  sein. 

Schöneck  mit  dem  Galgenscheider  Gericht,  Schöneck, 
Kempenich  und  Caselberg  waren  zu  der  Zeit,  wo  die  in 
der  Taxe  fehlen,  verpfändet. 

89.  cf.  Paul  Haustein,  Wirtschaftliche  Lage  und  soziale  Be- 
wegung im  Kurfürstentum  Trier  während  des  Jahres  1525.  Hallenser 
Dissertation  1907. 


Lebenslauf. 


Geboren  wurde  ich,  Gustav  Knetsch,  evangelischer  Konfession, 
Sohn  des  Kgl.  Oberzolleinnehmers  Felix  Knetsch  und  seiner  Gattin 
Wilhemine  geb.  Reese,  am  2.  Februar  1885  zu  Straelen,  Kreis  Geldern. 
Ostern  J891  kam  ich  auf  die  Volksschule  zu  Herbestal,  Kreis  Eupen,  Ostern 
1895  auf  das  Kgl.  Friedrich-Wilhelms-Gymnasium  zu  Köln,  Oktober  1896 
auf  das  damalige  Progymnasium  zu  Boppard,  Ostern  1901  auf  das  Kgl. 
Gymnasium  zu  Koblenz,  das  ich  am  13.  März  J904  mit  d^m  Reife- 
zeugnis verließ. 

Im  Sommersemester  1904  wurde  ich  an  der  Universität  Bonn, 
Sommer  1905  in  Freiburg,  Sommer  1906  wieder  in  Bonn  immatrikuliert. 
Am  26.  Mai  1909  bestand  ich  die  mündliche  Doktorprüfung. 

Die  Lehrer,  denen  ich  meine  historische,  philologische  und  philo- 
sophische Ausbildung  zu  verdanken  habe,  waren  vornehmlich  die 
Herren  Professoren  und  Dozenten 

in  Freiburg:  v.  Below,  Wahl;  Kluge; 

in  Bonn:  v.  Bezold,  Lewison,  Ritter,  Schulte;  Litzmann,  Schulz, 
Wilmanns;  Elter,  Usener;  Erdmarin.